Wie viel Mensch braucht ein Hund: Tierisch menschliche Geschichten (German Edition)
Aspekt aus: Sie berühren mich.
Namen und Orte wandelte ich so ab, dass die Anonymität der Protagonisten gewahrt bleibt – es sei denn, die Inhalte sind in keiner Weise bedenklich und/oder es wurde mir ausdrücklich gestattet, sie zu beschreiben.
Heute geht es immer mehr um eine neue Lebensform mit Hunden, die ich Mensch-Hund-Kommunikation nennen möchte. Auf erlernte Reaktionen bei einem Hund zu verzichten, die lediglich durch Bestechung oder die Anwendung von Gewalt konditioniert wurden, und instinktiv mit seinen Instinkten umzugehen, bringt uns etwas sehr Wichtiges nahe – unsere eigene Natur.
Instinktiv sein zu dürfen, in einer Welt, die »kopfgemacht« ist, hat etwas von Nachhausekommen und von einer großen Freiheit.
So wie man einem Kind von Beginn an die Welt zeigt und nicht erst in einer künstlichen Parallelwelt für den »Ernstfall« trainiert, kann man auch einem Hund situativ mitteilen, wie er mit einer neuen Gegebenheit umgehen soll. Dafür muss man nur seine Art zu kommunizieren kennen und eigene Instinkte nutzen. Die Parallelwelt des Hundeplatzes darf sich dabei in eine Schule für Menschen wandeln, die diese Kommunikation erlernen wollen. Gelehrt werden dann Hundesprache, Neugier, Kompetenz und das Vertrauen in die eigene Wahrnehmung.
Viele Hunde werden nur als das behandelt, was unter dem Aspekt menschlicher Bedürfnisse in ihnen gesehen wird. Wer und was sie jedoch selbst sind – als einzelnes Hundeindividuum, als Angehörige einer bestimmten Hunderasse und als funktionales Rudelmitglied – bleibt dem Menschen häufig verborgen.
Oft führen sie, unerkannt in ihren angeborenen Fähigkeiten, in ihrer Form der Kommunikation und sozialen Struktur, ein ganz anderes Leben in unseren Wohnstuben und stützen einen Menschen, der die Unterstützung seiner eigenen Artgenossen verloren hat.
Hunde sind häufig nicht nur damit beschäftigt, ihr eigenes fehlendes Rudelgefüge auszugleichen, sondern auch damit, unsere emotionalen Defizite aufzufangen.
Jeder, der mit ihnen lebt, weiß, wie viel Hunde zu geben vermögen. Sie befrieden uns, machen uns glücklich, stimmen uns zärtlich, bringen uns in Kontakt mit anderen Menschen. Sie lassen uns lächeln, bewegen uns, bringen uns zum Staunen und lassen uns an uns selbst glauben.
Es ist an der Zeit, ihnen etwas davon zurückzugeben und sie dort zu entlasten, wo sie durch Verhaltensstörungen – die immer häufiger anzutreffen sind – eine deutliche Überlastung zeigen.
Hunde verdienen, im Wesentlichen mit uns leben zu dürfen, wie sie selbst miteinander leben: In einer sozialen Struktur aus Regeln, Grenzsetzungen, Zuneigung und Freiheit.
Ein Hund ist nicht dazu da, die Sehnsüchte, die unser eigener unangemessener Umgang miteinander hervorbringt, zu stillen. Wir schufen eine Menschenwelt, in der nicht nur Länder und Weltmächte gegeneinander Kriege führen, sondern jeder unzufriedene Privatmensch anonym, leise und ohne Blutvergießen seinen ganz persönlichen »Krieg« im Internet führen darf, oder, sich stark fühlend, mit anderen Anonymen »in den Krieg ziehen« kann. Die menschliche Sehnsucht nach Harmonie scheint inzwischen so groß, dass viele Hunde für eine künstliche Eintracht herhalten müssen, die mit Bestechung und Vermeidung von Regeln erreicht werden soll.
Nur weil wir untereinander unsere Grenzsetzungen gewalttätig missbrauchen, darf man sie einem Hund nicht vorenthalten. Hunde leben von Natur aus mit Regeln und angemessenen körperlichen Grenzsetzungen untereinander. Wir dürfen von ihnen lernen, wie so etwas auch ohne Gewalt funktioniert.
Das traurige Gegenteil der Menschen, die einen Hund ausschließlich mit Licht, Liebe und Bestechung erziehen wollen, ist die Tatsache, dass es noch immer Menschen gibt, die ihre eigene Ohnmacht im Leben in der Gewalt gegen und über ihren Hund loszuwerden suchen. Jeder aber, der über einen Hund nur Macht haben möchte, wird nur Macht haben, mehr nicht. Ein vertrauensvolles Miteinander wird er so nicht kennenlernen, obwohl ihm genau dieses Geschenk helfen könnte, sich selbst zu vertrauen und der Ohnmacht zu entkommen.
Auch in anderen Bereichen besteht Handlungsbedarf: Darf man aus Gründen des »Tierschutzes« frei lebende Hunde ihrer Freiheit berauben, die diese »Rettung« weder wollen noch ihrer bedürfen? Sollten sich nicht auch Tierschützer, die wie jede Personengruppe der Welt aus kompetenten und nicht kompetenten Menschen besteht, mitunter dafür verantworten müssen? Warum kann man
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