Wiedersehen in Barsaloi
Tochter beinahe gescheitert wäre. Damals schwitzte ich Blut und Wasser, als ich die vielen Fragen beantworten musste: Warum reisen Sie ohne den Vater Ihrer Tochter aus? Wo ist Ihr Ehemann? Wie lange bleiben Sie außer Landes? Warum hat Ihre Tochter einen deutschen Kinderausweis, wenn sie in Kenia geboren ist und der Vater ein Samburu ist? Ist das wirklich Ihre Tochter? Fragen über Fragen, die mich damals fast um den Verstand gebracht hätten. Nur mit viel Glück konnte ich schließlich ins Flugzeug steigen. Und nun reiche ich dem Beamten erneut meinen Pass. Obwohl er freundlich wirkt, klopft mein Herz heftig.
Diesmal ist allerdings meine Tochter nicht dabei. Es erschien mir zu gefährlich sie mitzunehmen, da sie nicht volljährig ist. Nach kenianischem Recht gehört das Kind dem Vater und nach dem Stammesrecht meines Ex-Mannes gehört es sogar der Großmutter, also seiner Mutter. Aus Sicht der Samburu ist Napirai mit ihren fünfzehn Jahren gerade im besten heiratsfähigen Alter. Die Mädchen werden auch heute noch sehr jung verheiratet und durch die Genitalbeschneidung fürchterlich verstümmelt. Das Risiko, dass wir uns unter Umständen mit derartigen Ansprüchen auseinandersetzen müssten, möchte ich einfach nicht eingehen. Außerdem verspürt Napirai noch nicht den Wunsch, nach Kenia zu reisen. Natürlich erkundigt sie sich immer wieder nach ihrem Vater und unserer Geschichte, aber bislang ist der Respekt vor dem für sie Unbekannten zu groß.
Der Beamte nimmt meinen Pass und hält ihn vor ein Computerlesegerät. Offensichtlich hat auch hier der Fortschritt Einzug gehalten. Nach weiteren fünf Sekunden erhalte ich einen Stempel und kann erleichtert mit meinen beiden Begleitern einreisen.
Für die erste Nacht beziehen wir im Norfolk Hotel unsere Zimmer. Dieses Hotel kann bereits auf eine lange Geschichte zurückblicken. Es wurde 1904 im Landhausstil erbaut und war in der Kolonialzeit der Treffpunkt von reichen weißen Siedlern, Geschäftsleuten und Großwildjägern. Das Hotel muss in diesem wilden und unerschlossenen Land wie eine Insel gewesen sein. Überall hängen alte Bilder und Fotos von Berühmtheiten wie zum Beispiel Roosevelt oder Hemingway an den Wänden. Eine tropische Vegetation prägt das Bild der parkähnlichen Anlage, die mit alten Pferdekutschen dekoriert ist. Zum ersten Mal bin ich in Nairobi in solch einem noblen Hotel und darf nicht daran denken, was es kosten wird. Sicher ist eine Nacht so teuer wie so mancher Monatslohn eines Angestellten.
Wenn ich früher nach Nairobi musste, was mir jedes Mal ein Gräuel war, verkehrte ich immer in der River Road. Das war und ist bis heute natürlich nicht die beste Adresse, dafür bezahlte ich damals für eine Übernachtung in einem düsteren Lodging nur vier bis fünf Franken. Wenn man mit einem Samburu-Krieger verheiratet ist und gezwungenermaßen das Geld im Land verdienen muss, kommt es einem einfach nicht in den Sinn, das hart verdiente Geld so einfach für einen teuren Schlafplatz auszugeben.
Doch diesmal reise ich ja mit europäischen Begleitern und für meinen Verleger sollte die Reise auch einigermaßen angenehm werden. Schließlich gehört er nicht mehr zu den Zwanzigjährigen und hat sich auch nicht unsterblich in eine Massai-Frau verliebt.
Abends dinieren wir draußen auf der Terrasse. Hinter uns befindet sich die Bar, an die sich früher die Herren mit ihren Zigarren zurückzogen, während den Frauen der Zutritt verwehrt war. Für mich ist dies alles gefühlsmäßig noch nicht Afrika, obwohl sich heute mehr dunkelhäutige Geschäftsleute hier zum Essen treffen als wohl noch vor ein paar Jahren. Auch empfinde ich, nachdem meine erste Neugier gestillt ist, alles eine Spur zu elegant und es zieht mich so schnell wie möglich weiter. So bin ich nicht traurig, als wir am folgenden Tag dem Türsteher in seinem dunkelgrünen Smoking die in weiße Handschuhe gehüllte Hand drücken und uns lachend verabschieden.
Auf dem Weg ins Samburuland
Wir nehmen die zwei gemieteten Land Cruiser einschließlich der Fahrer in Empfang und endlich geht es los in Richtung »alte Heimat«. Unsere zwei Wagen kämpfen sich durch das Verkehrschaos in Nairobi. Links und rechts drängen sich Autos, Lastwagen, Kleinbusse, Matatus genannt, und stinkende, bunte Fernbusse vorbei. Die schwarzen Abgaswolken nehmen mir die Luft zum Atmen. Dafür fasziniert es mich aufs Neue, wie jeder und jede versucht, irgendwie ein paar Schillinge zu verdienen. Da gibt es die
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