Wiedersehen macht Liebe (German Edition)
»Serviette.«
Kyle musterte sie und drehte sich dann zu dem Mann um, der hinter der Theke stand. »Könnten wir wohl ein Geschirrtuch bekommen, Dan?«
»Klar, kein Problem, Kyle.« Der Barkeeper öffnete einen Schrank unter dem Tresen und zog ein frisches Geschirrtuch heraus. Er reichte es Kyle, der es wiederum an Rylann weitergab.
»Danke sehr. Man scheint dich hier zu kennen, Kyle.« Sie wiederholte bewusst seinen Vornamen, damit sie sich nicht ahnungslos stellen musste, falls er sich später noch richtig vorstellen sollte. Aus irgendeinem Grund wollte sie ihn nicht wissen lassen, dass Rae ihr gesagt hatte, wer er war.
»Der Geschäftsführer ist ein Freund von mir.« Kyle deutete auf seine beiden Kumpel, die in einer Ecke der Bar immer noch Billard spielten. »Wir bekommen von ihm Freibier. Ein gutes Angebot, würde ich sagen.«
Rylann musste ein Lachen unterdrücken. Sie hätte nicht gedacht, dass sich ein Milliardärssohn um gute Angebote scherte. Andererseits hatte sie nie zuvor einen Milliardärssohn getroffen, also wusste sie gar nicht genau, worum sie sich scherten.
Sie tupfte ihr feuchtes Oberteil mit dem Geschirrtuch ab und war dankbar, dass es schwarz war und sie sich keine Sorgen darum machen musste, dass es durchsichtig wurde. Halb erwartete sie, dass Kyle eine anzügliche Bemerkung darüber machen würde, wie der Stoff an ihren Brüsten klebte, aber er sagte nichts. Und als sie mit dem Abtupfen fertig war und das Tuch auf die Theke legte, blickte sie auf und stellte erstaunt fest, dass er ihr tatsächlich in die Augen sah und nicht auf den Busen.
»Wo sind deine Freunde abgeblieben?«, fragte er.
Scheiße! Rae! Rylann hatte sie vollkommen vergessen, nachdem der Verbindungskerl das Bier auf sie geschüttet hatte. »Das ist eine gute Frage.« Sie sah sich in der Kneipe um und bemerkte, dass sie bis auf ein paar wenige Nachzügler leer war. Weder Rae noch ihre anderen Freunde aus der Jurafakultät waren zu sehen.
Jetzt wurde es langsam merkwürdig.
»Wir wollten uns am Eingang treffen, nachdem sie auf der Toilette war, aber sie ist nicht von dort zurückgekommen … Entschuldige mich für einen Moment.« Rylann ließ Kyle an der Theke stehen und marschierte in Richtung Damentoilette. Eine kurze Überprüfung der Kabinen ergab, dass alle leer waren.
Nachdem sie wieder hinausgegangen war, trat sie zur breiten Holztreppe, die in den ersten Stock führte. Prompt wurde ihr der Weg von einem der Türsteher abgeschnitten.
»Wir schließen jetzt«, sagte er. »Geh bitte zum Ausgang.«
»Ich suche nach meiner Freundin. Sie wollte nur schnell zur Toilette. Oben ist doch auch eine, oder?«
»Ja, aber da ist niemand mehr drin. Ich habe gerade nachgesehen«, antwortete der Mitarbeiter.
»Vielleicht ist sie noch oben an der Theke? Groß, hellbraune Haare, rotes Oberteil?«
Der Türsteher schüttelte den Kopf. »Tut mir leid, das obere Stockwerk ist komplett leer.«
Während der Mitarbeiter davonging, erschien Kyle an Rylanns Seite.
»Okay, jetzt bin ich besorgt«, sagte sie, mehr zu sich selbst als zu ihm.
»Hat sie ein Handy?«, fragte Kyle.
Rylann runzelte die Stirn. »Ja, aber ich nicht.« Sie bemerkte Kyles Blick und ging in die Defensive. Rae und so ziemlich jeder andere, den sie kannte, hatten sie schon das ganze Jahr über dazu gedrängt, sich ein Mobiltelefon zuzulegen. »Hey, das Studium ist nicht gerade billig!«
Er zog ein schwarzes Handy aus seiner Hosentasche. »Man nennt es ›abendliche Freiminuten‹. Willkommen im Jahr 2003!«
»Ha ha!« Rylann spielte mit dem Gedanken, ihm einen vernichtenden Blick zuzuwerfen, entschied sich aber dagegen – sie brauchte das Handy. Bis dahin musste sie sich zurückhalten.
Sie nahm das Mobiltelefon aus Kyles Hand, als ihr etwas klar wurde. Dies war bereits das zweite Mal in fünf Minuten, dass sie seine Hilfe angenommen hatte. Es war nur ein Gebot der Höflichkeit, dass sie nun zumindest ein wenig freundlich zu ihm sein musste.
Mist!
Sie wählte Raes Nummer und wartete, während es tutete.
»Hallo?«, meldete sich ihre Freundin verdutzt.
Rylann atmete erleichtert auf. »Rae, wo bist du? Ich stehe hier wie eine Idiotin und warte darauf, dass du vom Klo wiederkommst. Aber da drin ist keine Spur von dir.«
»Carpe diem.«
Rylann entfernte sich ein paar Schritte von Kyle. »Carpe diem? Was meinst du damit?« Sie hatte das seltsame Gefühl, dass ihr nicht gefallen würde, was ihre Freundin als Nächstes zu sagen hatte.
»Das ist lateinisch
Weitere Kostenlose Bücher