Naschmarkt
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Prolog
I st es zu fassen, dass Frauen in Hollywoodfilmen nie auch nur ein verirrtes Härchen an den Beinen haben, egal, wie unerwartet der Geschlechtsverkehr sie einholt?«
Rita nippt an ihrem Pflaumenwein, verzieht die Stupsnase und sieht fragend in die Runde.
»Was?«
»Ist es zu fassen, dass das der erste Gedanke ist, der dir dazu kommt?« Christine schüttelt den Kopf und stellt ihr Glas ab.
»Fürs Protokoll, Frau Obergescheit, das weibliche Klischee in Leinwandschnulzen ist Ursache für eines der größten Missverständnisse zwischen Männern und Frauen: Es lässt Männer denken, dass wir die ganze Zeit perfekt enthaart und in Strapsen rumlaufen. Oder habt ihr Angelina Jolie schon mal in ausgewaschenen Baumwollschlüpfern mit Kaktusschienbeinen gesehen?«
»Da ist was dran«, sagt Stella, nachdem sie ihren Likör mit einem einzigen großen Schluck geleert hat. Ihre dunklen Pupillen blitzen selbst im schummrigen Licht des Lokals. »
Fürchte den Bug eines Schiffes und den Arsch eines Maultieres,
wie meine griechische Oma zu sagen pflegt.«
»Und was heißt das?«, fragt Miki mit zusammengekniffenen Augen. Sie hasst das süße Gesöff, das uns nach dem Essen in unserem Stammlokal immer serviert wird. Schon der Geruch verletzt ihre empfindliche japanische Nase. Katharina reicht ihr wie selbstverständlich ein Taschentuch.
»Das habe ich bis heute nicht rausgekriegt. Aber es passt irgendwie zu Angelina Jolie in Baumwollliebestötern.«
Die fünf Frauen an meinem Tisch beginnen gleichzeitig zu lachen. Ich muss grinsen. Wäre diese Szene ein Romananfang, würde ich mit Sicherheit darüber meckern, dass alle potenziellen Klischees der trivialen Frauenunterhaltung erfüllt sind. Es ist mein dreißigster Geburtstag, und ich feiere ihn mit meinen besten Freundinnen bei Thai-Food in der Wiener Innenstadt. Besäße Pflaumenwein Glamourpotential, wir hätten glatt Stoff für eine Buchclub-Ausgabe zu bieten. Auf meinem Schreibtisch stapeln sich die Rezensionsexemplare genau solcher Geschichten. Zum Glück habe ich heute dienstfrei und kann mich entspannen, statt die literarische Qualität unserer Konversation zu beurteilen.
»Und du, Dotti?«
Fünf Augenpaare sehen mich erwartungsvoll an.
»Ich?«
»Jetzt, wo wir auf die Frau an sich und dich im Speziellen angestoßen haben, was ist dein Plan für das nächste Jahrzehnt?«
Mein
Plan?
Das klingt so, als hätte ich mein Leben im Griff wie ein Autor seine Romanhandlung und könnte selbst bestimmen, welche wichtigen Veränderungen mich in näherer Zukunft erwarten.
Erster Akt: Ich lerne den perfekten Mann kennen, worauf er beim Achtgängemenü um meine Hand anhält.
Zweiter Akt: Ich organisiere die Hochzeit, kriege einen dicken Bauch, finde den innovativsten Babynamen, die vernünftigste Doppelhaushälfte und entwickle eine Vorliebe für Duftteelichter.
Dritter Akt: Ich lebe glücklich und zufrieden bis zur Menopause …
All das zieht vor meinem inneren Auge vorbei, untermalt von irgendetwas, das Elton John auf einem Keyboard klimpert. Dorothy, die Prinzessin der Kerzen.
»Träumst du, Dotti?«
Mein Telenovelaplot wird jäh unterbrochen. Elton John kippt vom Klavierhocker, und die Doppelhaushälfte geht in Zimtorangeflammen auf.
Die Wahrheit ist: Dieser Plot ist nicht für mich geschrieben. Wer immer ihn sich ausgedacht hat, beherrscht sein Handwerk nicht oder hat zu viele himmelblaue Bücher gelesen. Die Realität ist keine Soapopera und keine Romanze von Nicholas Sparks, sondern ein Scheißdschungelcamp, in dem man selbst der Promi ist – aber einen niemand rausholt.
Ich hole tief Luft, sehe meinen Freundinnen in die lächelnden Gesichter und sage die entscheidenden Worte:
»Mein Plan für die nächsten zehn Jahre ist es, ohne Mann glücklich zu werden.«
Verblüfftes Schweigen.
»Das ist nicht dein Ernst«, meint Rita schließlich, als die Schrecksekunde vorbei ist.
»Mein voller Ernst. Und ich habe es mir gut überlegt. Schau uns mal an! Wir sind sechs Frauen über dreißig …«
»Ich bin neunundzwanzigeinhalb!«
»… sechs Frauen im besten Alter. Wir haben Jobs, die uns Spaß machen, Freundinnen, die uns lieben, Eltern, die uns unterstützen, Hobbys, die uns auf Trab halten. In unseren Küchen stehen Hightech-Kaffeemaschinen, die uns auf Knopfdruck kapselweise Träume von George Clooney ausspucken. Was wollen wir mehr? Neunzig Prozent unserer Zeit verplempern wir damit, uns die Köpfe darüber zu zerbrechen, wann endlich der Held
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