Wiedersehen mit Vamperl
sagte sie. »Er lebt. Schnell, Wasser!« Lucinda stolperte den Hang hinunter, gefolgt von Leonora.
Gemeinsam schleppten sie Eimer und Verbandszeug her, wuschen Eusebius, legten einen kalten Wickel auf seine Stirn.
Gerade als Eusebius die Augen aufschlug und verwirrt um sich blickte, trugen Herr Schmied, Dennis und Denise Herrn Stanzer
ins Freie. An der frischen Luft kam er bald zu sich, konnte sich sogar auf Herrn Schmied und den Fahrer gestützt zum Bus schleppen.
Frau Lizzi säuberte und verband die Platzwunde an seiner rechten Schläfe.
»Das hätten Sie auch nicht gedacht, dass Sie heute mein Nachthemd tragen würden«, sagte sie.
Herr Stanzer blickte verständnislos. Eusebius begriff schneller und lachte mit den anderen. Als ihn Herr Schmied und der Fahrer
in den Bus hoben, stöhnte er laut.
Der Portier des Hotels, in dem die Gruppe die Nacht verbringen wollte, staunte mit offenem Mund über die dreckigen, abgerissenen
Leute, die da vor ihm mehr hingen als standen. Erlas die Bestätigung der Reservierung dreimal von oben bis unten, auch das Kleingedruckte, bevor er ihnen kopfschüttelnd die
Schlüssel aushändigte.
Eine wilde Nacht
Nach einem heißen Bad fühlte sich Frau Lizzi viel besser. Zu ihrer größten Überraschung hatte sie Hunger. Sie zog sich an
und ging in den Speisesaal.
Dort fand sie alle in heller Aufregung. Frau Schmied vermisste ihr schweres Goldarmband. Herr Schmied versuchte sie zu beruhigen,
das machte sie nur noch wütender.
»Suppe, gnädige Frau?«, fragte der Kellner.
Sie fuhr ihn an. »Wie können Sie jetzt an Suppe denken? Haben Sie gar kein Feingefühl?«
Der Kellner zog sich verwirrt zurück.
Der Reiseleiter bat Platz zu nehmen. »Nach all den Aufregungen sollten Sie einen Bissen essen, das beruhigt die Nerven«, erklärte
er. »Dann wollen wir überlegen, was zu tun ist.«
Frau Schmied warf ihm einen giftigen Blick zu. Er lächelte zurück. Anscheinend prallten giftige Blicke von ihm ab. Vielleicht,
dachte Frau Lizzi, werden Reiseleiter gegen giftige Blicke geimpft.
Er rollte Brotkügelchen, steckte sie in den Mund, machte den Eindruck eines durch und durch zufriedenen Mannes. Plötzlich
sprang er auf, ging zum Kellner und bat ihn ein Tablett für die beiden Verletzten zu richten.
»Ich trage es dann hinauf«, sagte Frau Lizzi, »da kann ich gleich sehen, ob sie sonst noch etwas brauchen.«
Schon auf dem Treppenabsatz hörte sie erregte Stimmen aus dem Zimmer des Privatgelehrten und seines Schülers.
»... es geht um die Wissenschaft, nur um die Wissenschaft«, sagte Herr Stanzer. »Mein ganzes Leben steht in ihrem Dienst. Ich habe
mein Vermögen freudig für sie geopfert. Aber auch die, diekein Verständnis für sie haben, können etwas beitragen. Müssen sogar etwas beitragen. Das Wissen um die geheimen Zusammenhänge
ist wichtig für alle, auch für die, die davor die Augen verschließen. Stell du dich mir nicht in den Weg!«
»Aber verehrter Meister!«, rief Eusebius. »Es gibt trotzdem Grenzen ...«
Frau Lizzi hüstelte laut, dann klopfte sie an die Tür.
Sie hörte schnelle Schritte, eine Schranktür knarrte, dann erst rief Herr Stanzer etwas atemlos: »Herein!«
»Na, wie geht es Ihnen jetzt?«, fragte Frau Lizzi munter.
Beide erklärten, sie fühlten sich schon wesentlich besser.
»Mein Kopf ist noch etwas dumpf«, sagte Herr Stanzer, »und ich bin überzeugt, dass ich morgen am ganzen Körper blaue Flecke
haben werde, aber es ist bestimmt nichts gebrochen, alles ist beweglich.«
Eusebius nickte. Er war sehr blass.
Frau Lizzi stellte das Tablett auf den Tisch. »Ich glaube trotzdem, dass wir einen Arzt aufsuchen sollten. Manchmal zeigen
sich Schäden erst später.«
Frau Lizzi schüttelte Herrn Stanzers Kissen auf und schob es ihm wieder unter den Kopf.
Eusebius schnappte nach Luft, Herr Stanzer bedachte ihn mit einem seltsamen Blick, einer Mischung aus Angst, Tadel, Besserwisserei
und noch einigen Zusätzen, die Frau Lizzi nicht gleich deuten konnte.
Sie beschränkte sich darauf, beiden einen guten Appetit und erfrischenden Schlaf zu wünschen, legte jedem zwei Schmerztabletten
aus ihrer großen Handtasche auf den Nachttisch und ging wieder hinunter.
Aus der Suppe starrten unfreundliche Fettaugen. Frau Lizzi winkte dem Kellner und bat ihn, den Teller zu entfernen und ihr
gleich den nächsten Gangzu bringen. Jetzt wird gegessen, sagte sie sich. Denken kannst du später.
Die Mitreisenden hatten offenbar
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