Wiedersehen mit Vamperl
im Weg sein?«
»Das schon«, gab sie zu. »Aber ich kann so besser planen. Man soll nichts überstürzen, weißt du, und sooft ich über den Koffer
stolpere, werde ich mich auf die Reise freuen.«
An diesem Abend begann sie mit Turnübungen, eine Woche später schaffte sie schon neun Kniebeugen, bei den Rumpfbeugen erreichte
sie beinahe ihre Zehen und sie konnte aufeinem Bein stehend das andere kreisen lassen ohne gleich ins Wackeln zu kommen. Sie war sehr mit sich zufrieden. Der Koffer
war dreimal gepackt und wieder umgepackt.
Doch plötzlich bekam sie es mit der Angst zu tun. Vielleicht hatte der junge Mann doch Recht und sie hatte sich auf etwas
allzu Verrücktes eingelassen?
Ein bisschen verrückt ist gut, dachte sie, aber zu verrückt...
An diesem Nachmittag klopfte es an der Wohnungstür. Hinter einem großenStrauß Margeriten und Glockenblumen strubbelten rote Haare in die Höhe.
»Ich wollte mich wieder einmal erkundigen, ob es etwas Neues gibt. Erinnern Sie sich noch an mich?«, fragte der Mann hinter
dem Blumenstrauß hervor.
»Natürlich erinnere ich mich«, sagte Frau Lizzi. »Was glauben Sie denn? Sie sind der Wetterkundler, der Vamperls Ballonflug
berechnet hat.«
Er nickte. »Manchmal habe ich mich gefragt, ob Sie nicht sehr böse auf mich sind. Ohne meine Einmischung wäre Vamperl vielleicht
bei Ihnen geblieben. Ich bin schuld, dass er weg ist.«
Frau Lizzi schüttelte den Kopf, dann nickte sie. »Manchmal war ich richtig zornig auf Sie, das stimmt. Aber wenn Sie ihm nicht
geholfen hätten, wäre er trotzdem losgezogen um seine Vamperlina zu suchen. Ich hätte ihn ja doch nicht halten können. Kommen
Sie herein,setzen Sie sich! Ich mach uns gleich einen guten Kaffee.«
Er stolperte über die Türschwelle und gleich darauf über den Koffer, der mitten im Raum stand.
Als sie beide am Küchentisch saßen, erzählte Frau Lizzi ihm von ihrem Vorhaben.
Der Wetterkundler sprang auf und schüttelte ihr beide Hände, wobei er eine Kaffeetasse umwarf. Kaffee floss über das Tischtuch,
tropfte auf den Boden. Frau Lizzi fing an zu lachen, bis sie Schluckauf bekam.
Als der ärgste Schaden beseitigt war und frischer Kaffee in den Tassen dampfte, unterhielten sie sich über Frau Lizzis Reiseplan.
Der Wetterkundler war Feuer und Flamme für die Idee. Er meinte, in Transsilvanien bestünden die besten Chancen, Vamperl zu
finden.
Als er sich verabschiedete, war Frau Lizzi wieder ganz und gar überzeugtdas Richtige zu tun. Sie versprach ihm eine Postkarte, er versprach sie gleich nach ihrer Rückkehr zu besuchen.
In der letzten Woche vor ihrer Abreise hatte Frau Lizzi das Gefühl, dass die Zeit überhaupt nicht verging. Jeder Tag hatte
mindestens 100 Stunden und jede Stunde mindestens 100 Minuten zu 100 Sekunden. Jede Nacht stand sie unzählige Male auf um im Koffer nachzusehen, ob sie auch wirklich alles eingepackt hatte. Dazwischen
träumte sie wirres Zeug.
Am letzten Abend kam Hannes und brachte ihr ein Säckchen. Das müsse sie unbedingt mitnehmen, für alle Fälle. »Weil man ja
nie wissen kann.«
»Was ist denn drin?«, fragte Frau Lizzi. Er druckste herum. »Es ist ja nicht, dass ich direkt daran glaube, ich meine, es
heißt nur, und damit man dann nicht sagt, hätt ich doch, weil schließlich... also es wäre ja wirklich schade um Sie, oder?«
Frau Lizzi war durchaus der Meinung, dass es schade um sie wäre.
»Angeblich soll es gut zum Schutz sein, verstehen Sie?«, sagte Hannes.
Jetzt war Frau Lizzi natürlich noch neugieriger geworden. Endlich gelang es ihr, aus Hannes herauszukitzeln, was in dem Säckchen
war: eine Knoblauchzwiebel, ein rostiger Nagel, garantiert vom Friedhof, für den Hannes mit fünf Nachmittagen Unkrautzupfen
in einer Gärtnerei bezahlt hatte, die dem Vater seines Freundes gehörte, und ein Medaillon aus glänzendem Aluminium.
»Silber wäre besser«, sagte Hannes, »aber es ist aus Mariazell und echt geweiht.«
Frau Lizzi war gerührt. Am liebsten hätte sie Hannes umarmt und ihm einen Kuss gegeben. Stattdessen strubbelte sie seine Haare
und schenkte ihm drei Tafeln Schokolade.
Reisegefährten
Hannes bestand darauf, Frau Lizzi zum Autobus zu begleiten. Kurz vor halb fünf Uhr klopfte er an ihre Wohnungstür.
»Meine Güte, Bub, das wär aber wirklich nicht nötig gewesen«, brummelte sie.
In Wirklichkeit war sie erleichtert. Sie hatte eine Tasche mit Proviant für die Reise, einer warmen Jacke, Verbandszeug,
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