Wiedersehen mit Vamperl
vergessen hatte.
Die Musik endete, ringsum klatschten alle Frau Lizzi und dem Fahrer zu. Sie wurde rot.
»Wie heißen Sie eigentlich?«, fragte sie.
Er machte eine kleine Verbeugung. »Mirko.«
Sie lächelte ihm zu. »Es hat mir Spaß gemacht, mit Ihnen zu tanzen.«
»Und mir erst mit Ihnen«, sagte er und Frau Lizzi beschloss ihm zu glauben.
Er brachte sie an den Tisch zurück und holte zwei Gläser Wein. Der schmeckte köstlich, aber Frau Lizzi widerstand tapfer der
Versuchung, noch ein Glas zu trinken. Sie würde heute Nacht ihre ganze Aufmerksamkeit brauchen.
Die Gruppe bestand darauf, dass sie noch einmal das Vampirlied sang. DerZiehharmonikaspieler begleitete sie, schlang Melodiekringel um das einfache Lied. Ihre Stimme wuchs dabei. Als sie geendet
hatte und alle klatschten, war ihr fast ein wenig schwindlig. Lang nach Mitternacht ging das Fest zu Ende. Beim Treppensteigen
merkte Frau Lizzi, wie müde sie war.
Es war schwer, im warmen Bett zu liegen und gegen den Schlaf zu kämpfen. Sosehr sich Frau Lizzi bemühte wach zu bleiben, fielen
ihr die Augen zu. Sie riss sie wieder auf, aber die Lider waren ungeheuer schwer geworden. Fünf Minuten nur, dachte Frau Lizzi.
Im Traum tanzte sie mit Mirko auf einer großen Wiese, der Ziehharmonikaspieler saß in der Astgabel einer riesigen Buche. Da
kratzte eine Katze an einer Tür.
Wie kommt die Tür auf die Wiese?, dachte Frau Lizzi, einen Herzschlag später war sie wach.
Jemand schlich durch ihr Zimmer!
Sie bemühte sich ruhig weiterzuatmen wie im Schlaf, blinzelte durch halb geschlossene Lider. Die Dunkelheit war so dicht,
dass sie gar nichts sehen konnte, sie musste sich auf ihre Ohren verlassen. Ein Bodenbrett knarrte. Die Schritte hielten inne,
sie spürte die Gegenwart eines Menschen, aber sosehr sie sich auch konzentrierte, wusste sie doch nicht, wer auf Armeslänge
entfernt neben ihrem Bett stand. Sie atmete tief ein, auch der Geruch verriet nichts.
Ihre Nase begann zu kribbeln. Sie bemühte sich an etwas anderes zu denken, aber vergeblich. Ein ungeheures Niesen brach hervor,
ließ die Bettfedernaufquietschen. Mit zwei, drei Sprüngen war der nächtliche Besucher an der Tür, die Tür fiel krachend ins Schloss.
Frau Lizzi sprang aus dem Bett, lief aus dem Zimmer, aber sie sah niemanden. Leer und still lag der Gang, nur die Notlampen
warfen kleine Lichtkegel auf die dunkle Tapete.
Frau Lizzis Füße wurden kalt, ein eisiger Lufthauch wehte sie an. Sie kroch ins Bett zurück. So müde sie gewesenwar, so hellwach war sie jetzt. Bis zum Morgengrauen lag sie und wartete.
Doch niemand kam.
Sie hörte noch die Turmuhr der Kirche fünfmal schlagen, dann schlief sie ein und wachte erst auf, als sie draußen Schritte
und lautes Reden hörte.
Ächzend wälzte sie sich aus dem Bett, duschte heiß, duschte kalt, ließ die Schultern kreisen und die Arme, aber es war eine
sehr wackelige alte Frau, die mühsam Stufe für Stufe in den Speisesaal hinunter tappte.
Oh, Vamperl, stöhnte sie leise, ich werde langsam zu alt für dich. Wenn ich dich nicht bald finde...
Sie verbot sich den Gedanken zu Ende zu denken. Vor der Tür straffte sie sich und betrat hoch erhobenen Hauptes den Raum.
Wer immer es gewesen war, der ihr diese schreckliche Nacht beschert hatte, er sollte nicht den Triumph haben, sie geschlagen
zu sehen.
Jeden, der sie fragte, wie sie geschlafenhabe, musterte sie genau. »Hervorragend«, log sie.
Mirko lachte. »Wir müssen wieder tanzen«, erklärte er. »Sie sind eine wunderbare Tänzerin.«
Herr Stanzer hatte schwarze Ringe unter den Augen. Aber das konnte natürlich auch von seinem Unfall kommen. Eusebius war merkwürdig
zerfahren. Wenn ihn jemand ansprach, zuckte er zusammen. Als Lucinda gleichzeitig mit ihm nach dem Brotkorb griff und seine
Hand berührte, warf er seine Kaffeetasse um.
Der Reiseleiter konnte keine Minute stillsitzen, sprang immer wieder auf, strich Butter auf den Käse statt auf sein Brot.
Das Ehepaar Schmied flüsterte Kopf an Kopf. Denise und Dennis fütterten einander wie immer mit den besten Bissen.
Wir werden ja sehen, dachte Frau Lizzi.
Vorsicht!
Frau Lizzi fand Hermannstadt schön, aber anstrengend für ihre Knie. Sie hatte Ansichtskarten an Hannes und an den Wetterkundler
geschrieben und für beide prächtig geschnitzte Bleistiftschachteln gekauft, jetzt war sie froh, dass sie wieder im Bus saß
und die wundervolle Aussicht auf die Berge im Sitzen genießen konnte.
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