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Wiedersehen mit Vamperl

Wiedersehen mit Vamperl

Titel: Wiedersehen mit Vamperl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Renate Welsh
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nicht den Appetit verloren. Sie schaufelten riesige Mengen in sich hinein, sogar Frau Schmied
     vergaß ihre Diät und nahm eine zweite Portion gefüllte Tomaten.
    Füttern macht friedlich, stellte Frau Lizzi wieder einmal fest, und weil sie fand, dass sie heute sehr unfriedliche Gefühle
     hatte, häufte sie einen Berg Karamelcreme auf ihren Teller.
    Erst im Bett erlaubte sie sich nachzudenken.

    Herrn Stanzers Verhalten war entschieden verdächtig. Aber sie konnte sich nicht vorstellen, wann er Gelegenheit gehabt hätte,
     das Armband an sich zu nehmen.
    Und der Reiseleiter schien auch etwas zu verbergen. Außerdem war er ihr von Anfang an unsympathisch gewesen. Ihre Nase juckte,
     wenn sie an ihn dachte. Meist hatte ihre Nase Recht, auch wenn sie natürlich wusste, dass eine juckende Nase allein nicht
     beweiskräftig war.
    Ich werde ihnen eine Falle stellen, beschloss sie.
     
    Der Privatgelehrte und sein Schüler kamen zum Frühstück in den Speisesaal. Sie bewegten sich vorsichtig, zum Niedersetzen
     brauchten sie sehr lange, aber sie bestanden darauf, dass das Programm wie geplant weitergehen sollte. Und für diesen Abend
     war der große »Ball der Vampire« angesetzt!

    Auf dem Weg zum Bus ging der Reiseleiter neben Herrn Stanzer.
    Frau Lizzi beschloss die Gelegenheit beim Schopf zu packen.
    »Darf ich Sie einen Moment sprechen? Ich habe ein Problem.«
    »Aber natürlich, liebe Frau – äh – Lizzi.«
    Laut genug um sicher zu gehen, dass Herr Stanzer jedes Wort hören konnte, flüsterte Frau Lizzi: »Ich habe eine größere Geldsumme
     mitgenommen, ich weiß schon, das war unvorsichtigvon mir, aber ich wollte sie nicht zu Hause lassen, weil in meiner Abwesenheit die Fenster gestrichen werden sollen und...
     Also jedenfalls, ich habe es in meiner Reisetasche und jetzt mache ich mir solche Sorgen... Ich meine, es ist immerhin eine
     Menge Geld, ich hatte gedacht, ich könnte hier vielleicht ein Häuschen kaufen   ...«
    Hoffentlich hatte sie nicht zu dick aufgetragen. Aber der Reiseleiter bekam einen lauernden Blick, er hatte den Köder geschluckt.
    »Machen Sie sich keine Sorgen, liebe Frau – äh – Lizzi... Ich werde aufpassen, und – im Vertrauen gesagt – ich glaube, wir
     werden sehr bald wissen, wer hier der Dieb ist.«
    Er zwinkerte ihr höchst auffällig zu.
    Jetzt konnte Frau Lizzi nur noch warten. Den ganzen Tag über war sie nervös, sie sah fast nichts von der schönen Landschaft,
     klammerte sich an ihrer Tasche fest, als wäre darin tatsächlichein Vermögen, und musste vor lauter Aufregung den Fahrer öfter bitten anzuhalten, auch wenn sie sich in dieser Gegend nicht
     die geringste Hoffnung machte Vamperl zu finden.
     
    Als sie abends ihr Hotel erreichten, hatte Frau Lizzi das seltsame Gefühl, schon einmal hier gewesen zu sein. Es war unheimlich,
     bis ihr einfiel, dass es bis auf den letzten Turm und die letzte Zinne einer Burg in ihrem Märchenbuch glich. Wo ist das Buch
     nur geblieben?, überlegte sie. Dann aber sagte sie sich streng: Elisabeth, du hast jetzt andere Sorgen. Pass genau auf, was
     die Leute tun.
    Vor lauter Beobachten kam sie auf dem kurzen Stück Weg vom Bus zum Hotel mehrmals ins Stolpern.
    Das Abendessen verlief ohne Zwischenfälle. Die Vanillecreme zum Dessert war mit einem Spinnennetz aus Schokolade überzogen,
     in dem einedicke Fliege aus einer Rosine und zwei Mandelhälften hing. So grausig echt das aussah, so begeistert schleckten alle noch
     den letzten Rest von ihren Löffeln.

    Der lang erwartete »Ball der Vampire« begann.
    Der Saal wurde verdunkelt, rote Lämpchen glühten in den Ecken und an den Wänden, schräge Musik setzte ein. Dennis und Denise
     waren die Ersten, die sich auf die Tanzfläche wagten. Dann schob Frau Schmied ihren Ehemann aufs Parkett, Herr Stanzer forderte
     Frau Pfeiffer auf und Lucindaholte sich Eusebius. Leonora tanzte mit dem Busfahrer und der Reiseleiter mit einer jungen blonden Frau. Er wirbelte sie herum,
     dass ihre Haare flogen. Der Ziehharmonikaspieler hatte einen prächtig gezwirbelten Schnurrbart und unglaublich flinke Finger.
     Frau Lizzi hatte genau so viel Spaß daran, sie auf- und abhüpfen zu sehen, wie an der Musik, die in ihren alten Gelenken eine
     fast vergessene Unruhe auslöste.
    Als der Fahrer auf sie zukam und sie um einen Tanz bat, kam sie so schnell auf die Beine wie seit Jahren nicht.
    Der Fahrer war ein guter Tänzer und Frau Lizzis Füße erinnerten sich an Schrittfolgen, die ihr Kopf längst

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