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Wikinger meiner Traeume - Roman

Wikinger meiner Traeume - Roman

Titel: Wikinger meiner Traeume - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Josie Litton Eva Malsch
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hatten.
    Sie antwortete noch immer nicht, und der Fremde runzelte ärgerlich die Stirn. Offenbar war er nicht an ungehorsame Mitmenschen gewöhnt. Nun, vielleicht würde ihm diese Begegnung eine Lehre sein. Rycca schloss die Augen, holte tief Luft und stieß ihr Knie mit aller Kraft nach oben, zwischen seine Beine.
    Als er sich versteifte, hob sie die Lider und erwiderte seinen Blick, der blankes Entsetzen ausdrückte. Im Gegensatz zu Thurlows Prophezeiung heulte er nicht auf. Stattdessen stöhnte er leise und ließ ihre Schultern los. Langsam sank er auf die Knie und erinnerte sie an eine mächtige Eiche, von einer Axt gefällt.
    Jetzt war sie frei. Trotzdem zögerte sie und bekämpfte das plötzliche, fast überwältigende Bedürfnis, ihm zu helfen. Wenn sie diesem verrückten Impuls nachgab, würde sie die Normandie niemals sehen. Zum Glück verdrängte ihr Überlebenswille das Mitgefühl. »Schnell wie der Wind«, hatte Thurlow befohlen. Und so lief sie davon, schnell wie der Wind. Sie hatte schlanke, aber kräftige Beine. Geschmeidig wie ein Fohlen, konnte sie jedes Hindernis überspringen. Sie atmete ruhig und gleichmäßig. Nachdem sie ihre Angst besiegt hatte und der Gefahr entronnen war, wuchs ihre Zuversicht. Sobald sie sicher war, der Fremde würde ihr nicht folgen, verlangsamte sie ihre Schritte nur ein wenig. Aus reiner Freude an der Bewegung rannte sie weiter – durch schattige Täler, Kiefern- und Eichenwäldchen, über sonnige Wiesen und Kiesstrände. Schließlich blieb sie am Rand eines dichten Waldes stehen und betrachtete das funkelnde Meer, von innerem Frieden erfüllt, den sie lange nicht mehr empfunden hatte.
    Der Wind bewegte die Wellen, helles Sonnenlicht versilberte das blaugraue Wasser. Über Ryccas Kopf kreisten Möwen,
mit fast reglosen Schwingen. Die Augen mit einer Hand beschattet, schaute sie zum fernen Horizont, wo das Meer und der Himmel verschmolzen. Bis zu ihrer Ankunft in Essex vor wenigen Tagen hatte sie keine größeren Gewässer erblickt als Flüsse und Seen. Das Meer faszinierte sie. Einerseits fürchtete sie sich davor, denn sie konnte nicht schwimmen. Und andererseits bot es ihr einen Fluchtweg, der sie beglückte. Irgendwo jenseits des Horizonts lag die Normandie, wo ein neues Leben wartete. Dieses Ziel musste sie erreichen.
    Am liebsten hätte sie Flügel ausgebreitet wie die Möwen, um in den Himmel hinaufzuschweben. Das mochte kaum schwieriger sein als ihr Vorhaben. Doch es würde gelingen, denn die einzige andere Möglichkeit, die Rückkehr ins Vaterhaus, wäre unvorstellbar...
    Hastig verdrängte sie diesen Gedanken und überließ sich ihrer Freude an Sonnenschein und Meereswellen. Während der letzten Tage hatte sie nur wenig geschlafen, und ihr Magen knurrte. Sie war allein in einem Land, wo ihr niemand helfen würde, wo grässliche Gefahren lauerten. Wenn sie aufgespürt wurde, drohte ihr eine grausame Strafe. Trotzdem glichen ihre Gefühle den Sonnenstrahlen auf dem Wasser. Ich bin frei, dachte sie.
    Wann war sie jemals frei gewesen oder hatte auch nur zu hoffen gewagt, sie würde diesen erstrebenswerten Zustand irgendwann erreichen? Wann hatte sie geglaubt, sie würde ihr wahres Ich eines Tages nicht mehr hinter der Fassade mühsam erzwungener Duldsamkeit verbergen müssen? Nur in Thurlows Gesellschaft hatte sie die Maske fallen lassen – und sogar ihm hatte sie vorgegaukelt, das Elend sei nicht so schlimm. Wahrscheinlich hatte auch er heitere Miene zum bösen Spiel gemacht, um sie nicht noch schmerzlicher zu belasten.
    Frei... Lachend breitete sie die Arme aus. Nun konnte sie nicht länger still stehen, und so drehte sie sich übermütig
im Kreis. Wundervolle, himmlische Freiheit! Mochten in der Zukunft auch noch so viele Schwierigkeiten warten – dieser eine Augenblick war alle Mühe wert.
     
    Nichts würde ihn daran hindern, furchtbare Rache an dem kleinen Schurken zu üben, der ihn in die Knie gezwungen hatte. Grimmig bekämpfte Dragon die schmerzhaften Wellen, die seinen Körper immer noch durchströmten, und malte sich aus, wie er den Burschen züchtigen würde. Niemand, nicht einmal ein kleiner Grünschnabel durfte ihn so niederträchtig angreifen und ungestraft davonkommen. O ja, dafür würde der Kerl bezahlen – fragte sich nur, wie.
    Erst einmal musste Dragon ihn einfangen. Darin sah er kein Problem. Hätte der Racker seine Spur absichtlich hinterlassen, wäre sie nicht deutlicher zu erkennen. Dragon, ein ausgezeichneter Jäger, Kundschafter und

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