Wikinger meiner Träume
rang Rycca nach Luft und zwang sich zur Ruhe.
Doch die Visionen waren zu klar und deutlich, die Bilder zu tief in ihre Seele eingegraben.
Rauch und Nebel... Der Mond, von Wolken verhüllt... Überall Stille, bis auf das leise Rascheln nächtlicher Geschöpfe.. . Und dann das dumpfe Geräusch eines Schiffsrumpfs, der an die Küste schlug... Klirrendes Metall... Trommelnde Schritte...
Die Kirchenglocken läuteten und läuteten und läuteten -nicht langsam und majestätisch, als wollten sie die Gläubigen zum Gebet rufen, sondern gellend und hektisch, so wie damals, als die Mühle Feuer gefangen hatte und alle in die Nacht gestürmt waren, um die Flammen zu bekämpfen.
Auch in dieser Nacht loderten helle Flammen. Blut und Geschrei... Aelflynne... Voller Panik schreckte sie vor Wolscroft zurück. In jener Zeit noch jünger, aber bereits so herrisch und anmaßend wie in späteren Tagen, packte er sein Schwert, erteilte Befehle, rief nach seinem Pferd... Das schreckensbleiche Gesicht eines Jungen, kurz bevor Wolscroft ihn erstach und zum Schweigen brachte. Denn niemand sollte erzählen, der Lord sei vor den Wikingern geflohen.
Im Morgengrauen schlich Rycca aus dem Stall und zum Fluss hinab, hörte das Gelächter der Angreifer, die ihr Werk vollendeten, die Beute und die Sklaven auf ihre Schiffe luden, bevor die Drachenbüge im Nebel verschwanden...
»Rycca?«
Ihr Gemahl sprach sie an, ihr Wikinger-Gemahl. Von Sleipnirs Sattel aus - inzwischen hatte ihr ein Reitknecht die richtigen Namen der beiden Füchse verraten - schaute er besorgt zu ihr herüber. »Fühlst du dich nicht gut?«
Verkrieche dich in dir selber, lass dir nichts anmerken... »Doch.« Unter ihr scheute Grani, als würde die Lüge durch seinen Körper strömen, und sie erschauerte wieder. »Wirklich, mit mir ist alles in Ordnung.« In ihren Schläfen dröhnte es. So wie immer, wenn sie log.
Beunruhigt runzelte Dragon die Stirn. Seine Frau war unnatürlich blass. Und in ihrem Blick entdeckte er einen Ausdruck, den er kannte. Oft genug hatte er ihn in den Augen der Männer nach blutigen Schlachten gesehen. Zweifellos hatten auch seine eigenen dieses Grauen bekundet.
Er betrachtete den Hafen, dessen Wellen im Sonnenschein funkelten, die schöne, florierende Stadt, die mächtige Festung auf dem Felsengrat. Warum machte diese Szenerie seiner Frau Angst? Oder fürchtete sie seine stolzen Schiffe?
Sicher bangte ihr vor der Reise in ein fernes Land, so wie Ruth, die in die Fremde gezogen war, um ihrem Schicksal zu gehorchen. In diesen letzten Tagen hatte er gehofft, Rycca würde ihren Kummer überwinden. Danach sah es nicht aus. Nun, es ließ sich nicht ändern - sie waren beide an ihre Pflicht gebunden.
Er spornte Sleipnir an und vergewisserte sich, dass sie an seiner Seite blieb. Am Kai stiegen sie ab. Krysta und Hawk gesellten sich zu ihnen.
Aufmerksam musterte Hawk den Himmel. »Gutes Segelwetter.«
»In der Tat«, bestätigte Dragon ohne Begeisterung. Er befahl einigen Männern, die Pferde auf eines der Schiffe zu bringen. Unterdessen verluden andere die letzten Truhen und Stoffballen, Fässer und Körbe. An der Hafenmauer hatte sich eine große Menschenmenge eingefunden, um die Abreise zu beobachten. Sogar für die weltoffenen Bewohner von Hawkforte war der Anblick eines norwegischen Jarls, der mit seiner angelsächsischen Frau an Bord ging, ein aufregendes Ereignis. Ein paar kühnere Männer jubelten und wünschten ihnen eine gute Reise.
Da Dragon zum Aufbruch drängte, konnte Krysta die junge Frau, die sie lieb gewonnen hatte, nur kurz umarmen. Eindringlich flüsterte sie ihr zu, alles würde sich zum Guten wenden. Dann beauftragte er einen seinen Krieger, Rycca auf das größte Schiff zu führen. Bevor er ihr an Deck folgte, versprach er seinem Freund: »Ich werde Wolf erzählen, was wir besprochen haben. Sicher wird er bald Verbindung mit dir aufnehmen.«
Hawk nickte. »Bis dahin werde ich versuchen, etwas mehr zu erfahren.« Sie schüttelten sich die Hände, und Dragon ging an Bord.
Auf seinen Befehl wurden die Taue gelöst. In schneller Fahrt glitten die Drachenschiffe aus dem Hafen.
Rycca wurde ignoriert. Dafür war sie dankbar. Ein paar Stunden nach der Abreise aus Hawkforte hatte Dragon noch immer kein Wort zu ihr gesagt. Stattdessen wechselte er sich mit seinen Männern an den Rudern ab.
Während er ruderte, versucht® sie den kraftvollen Rhythmus seiner Muskeln zu übersehen. Aber gegen ihren Willen wanderte ihr Blick immer wieder
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