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Wild (German Edition)

Wild (German Edition)

Titel: Wild (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lena Klassen
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hatte nicht angerufen. Doch während wir schliefen, wachte ich immer wieder auf, und meine Gedanken sagten: Ruf an. Ruf sie her. Deine Freunde. Ruf sie, damit du nicht alleine bist, wenn das Ende kommt.
    Ich bin nicht allein, entgegnete ich. Lucky ist hier bei mir.
    Vielleicht gibt es doch Rettung, sagten die Gedanken. Vielleicht kennt Alfred ein Mittel. Er ist viel schlauer als die Regs. Er hat ein geheimes Labor. Er kann euch helfen.
    Nein, sagte ich.
    Sie fliegen in den Himmel. Fliegen in den Himmel.
    In meinem Fiebertraum sang Jeska von den wilden Schwänen, die sich vom See lösten, bevor er zufror. Und von dem einen Schwan, der zurückblieb, den das Eis festhielt. In meinem Fiebertraum hielt ich Lucky, der so heiß war, dass er mich verbrannte. Er war das Feuer in meinen Armen. Und er verglühte wie ein Stern.
    Irgendwann nachts hörte ich Stimmen. Kampfgeräusche. Flüche. Lichter tanzten. Aber ich schlief weiter, ich hielt Lucky fest und horchte und schlief.
    Happiness wachte über uns. Sie beschützte uns, denn wir waren der Köder. Kein Mörder erreichte unser kleines Lager, in dem wir an unserem Fieber verbrannten.
    Am Morgen ging es mir etwas besser. Ich war nassgeschwitzt, aber ich hustete nicht mehr. Der wievielte Tag? Zwischen den Bäumen bewegte sich etwas. Dort stand sie und beobachtete uns. Vergewisserte sich, ob wir noch lebten. Ich tat, als hätte ich sie nicht bemerkt.
    »Pi«, flüsterte Lucky. Er war so schwach, dass er sich nicht einmal mehr aufrichten konnte. Schon beim Sitzen musste ich ihn stützen. »Wir sind draußen, in der Wildnis, stimmt’s?«
    »Ja«, sagte ich. »Wir haben den Sumpf durchquert. Da hinten liegt Neustadt. Wir sind hier.«
    »Ich bin …« Ein neuer Hustenanfall. Dunkles Blut. »Ich bin ich.«
    »Ja«, sagte ich. »Ja, ich weiß.«
    Er lächelte. Lucky lag im Sterben, aber sein Lächeln war schön wie ein Himmel voller Sterne, wie ein See im Abendlicht.
    »Ich liebe dich«, sagte er, und da konnte ich nicht sprechen, ich konnte ihm nicht einmal sagen, dass ich ihn auch liebte. Ich saß nur neben ihm und hielt ihn fest, und gemeinsam sahen wir zu, wie der Himmel über dem überfrorenen Sumpf sich rötete und glänzte und glühte, als würde er brennen. In den Eiskristallen brach sich das Licht, und überall glitzerte es. Die Welt verging im Feuer.
    »Dafür …«, flüsterte er. Zitterte, und ich hielt ihn fest. Brachte ihn dazu, einen winzigen Schluck zu trinken. Ich küsste seine Wangen. Wartete auf das Sterben. Auf den Tod, der zu uns beiden kam. Wie gerne wäre ich der Schwan gewesen, der fortflog, doch wir waren der Schwan, der im See festfror, der zu spät aufsteigen wollte, betört und verführt von der Schönheit der Eisschicht auf Schilf und Bäumen.
    Weil ich so fror, zündete ich das Brennmaterial an, obwohl es kriminelle Einzelgänger anlocken konnte. Es brannte hell, eine kleine, warme Flamme, die nicht rauchte. Es brannte lange und wärmte mich. Lucky ächzte im Schlaf. Dann kam ein Moment der Klarheit, ohne Husten und Schmerz, ein Moment wie aus Eis.
    »Pi«, sagte er, laut und deutlich.
    »Ja?« Ich hatte den Arm um ihn gelegt.
    »Das Abenteuer war ein bisschen kurz, hm?«
    »Es tut mir so leid. Lucky …«
    »Danke«, sagte er nur.
    Ich wusste, wofür. Die weißen Bäume. Der flammende Himmel. Die Rufe verlorener Vögel im Sumpf. Für die Luft und die Farben und den Duft dieser Welt.
    Dann sank er gegen mich.
    Ich wartete vergebens darauf, dass er das Bewusstsein wiedererlangte. Er schlief so fest, dass ich ihn nicht wachbekam. Schwer lag er in meinen Armen, während ich versuchte, geduldig zu sein, bis auch mich das Dunkel zu sich holte, dorthin, wo Lucky war, im fiebrigen dunklen Glanz des Sees. Wirre Bilder zuckten durch mein Hirn. Schwäne. Hirsche. Steine. Ein Kind in meinen Armen. Manchmal schrak ich hoch und glaubte, Benni festzuhalten, der an meiner Seite wie eine verlöschende Sonne glühte.
    Ich zog die Decke über uns beide und wartete, an Lucky geschmiegt, auf das Dunkel.
    Das kleine Feuer war heruntergebrannt. Lucky fieberte nicht mehr, er fühlte sich kalt an. Erst als ich die Decke abwarf und sein Gesicht sah, erstarb meine Hoffnung.
    Er war weggegangen und hatte mich nicht mitgenommen. Nicht ich war der Schwan, er war es, und nun war er davongeflogen und hatte mich zurückgelassen.
    Ich küsste ihn auf die blutverschmierten Mundwinkel. Seine Haut war hell und kalt. Er zitterte nicht mehr, trotzdem presste ich mich an ihn, um ihn zu

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