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Ewig Dein

Ewig Dein

Titel: Ewig Dein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Glattauer
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Phase eins
1.
    Als er in ihr Leben trat, verspürte Judith einen stechenden Schmerz, der gleich wieder nachließ. Er: »Verzeihung.« Sie: »Macht nichts.« Er: »Dieses Gedränge.« Sie: »Ja.« Judith überflog sein Gesicht, als wären es die täglichen Sportschlagzeilen. Sie wollte nur eine Ahnung davon haben, wie jemand aussah, der einem am Gründonnerstag in der überfüllten Käseabteilung die Ferse abhackte. Sie war wenig überrascht, er sah normal aus. Er war einer wie alle hier, nicht besser, nicht schlechter, nicht origineller. Warum musste die gesamte Bevölkerung zu Ostern Käse kaufen? Warum im gleichen Kaufhaus zur selben Stunde?
    Bei der Kassa legte er, schon wieder er, neben ihr die Waren auf das Förderband. Sie registrierte ihn dank eines einschlägig riechenden rostbraunen Rauhlederjackenärmels. Sein Gesicht hatte sie längst vergessen, nein, sie hatte es sich gar nicht erst gemerkt, aber die geschickten, gezielten und dabei geschmeidigen Bewegungen seiner Hände gefielen ihr. Es wirkte ja auch noch im 21. Jahrhundert wie ein Wunder, wenn ein Mann um die vierzig im Supermarkt zu-, aus- und einpackte, als hätte er es vorher schon einmal getan.
    Beim Ausgang war es beinahe kein Zufall mehr, dass er wieder dort stand, um ihr die Tür aufzuhalten und um mit seinem Langzeitpersonengedächtnis zu brillieren. Er: »Nochmals Verzeihung für den Tritt.« Sie: »Ach, längst vergessen.« Er: »Nein, nein, ich weiß, so was kann höllisch wehtun.« Sie: »So schlimm war es nicht.« Er: »Gut, gut.« Sie: »Ja.« Er: »Na dann.« Sie: »Ja.« Er: »Schöne Feiertage.« Sie: »Ihnen auch.« Sie liebte Gespräche dieser Art im Kaufhaus, das sollte jetzt aber für immer genügen.
    Ihre vorerst letzten Gedanken an ihn galten seinen fünf bis sieben oder acht Bananen, der gelben Riesenstaude, die er vor ihren Augen eingepackt hatte. Wer fünf bis sieben oder acht Bananen kaufte, hatte bestimmt zwei bis drei oder vier hungrige Kinder daheim. Unter der Lederjacke trug er wahrscheinlich einen Pullunder mit großen Karos in Regenbogenfarben. Er war so ein richtiger Familienvater, dachte sie, einer, der für vier bis fünf oder sechs Personen Wäsche wusch und zum Trocknen aufhängte, die Socken vermutlich alle in einer Reihe, paarweise geschlichtet, und wehe, es brachte jemand seine Ordnung auf der Wäscheleine durcheinander.
    Daheim klebte sie sich ein dickes Pflaster auf die rote Ferse. Zum Glück war die Achillessehne nicht gerissen. Sonst fühlte sich Judith ohnehin unverwundbar.
     
2.
    Ostern verlief wie immer. Samstagvormittag: Besuch bei der Mama. Mama: »Wie geht es Vater?« Judith: »Ich weiß es nicht, ich bin am Nachmittag bei ihm.« Samstagnachmittag: Besuch beim Vater. Vater: »Wie geht es Mama?« Judith: »Gut, ich war am Vormittag bei ihr.« Sonntagmittag: Besuch bei Bruder Ali auf dem Land. Ali: »Wie geht es Mama und Vater?« Judith: »Gut, ich war gestern bei ihnen.« Ali: »Sie sind wieder zusammen?«
    Am Ostermontag waren Freunde bei ihr zum Essen geladen. Eigentlich nur am Abend, aber bereits nach dem Aufstehen hatte sie darauf hingearbeitet. Sie waren zu sechst: zwei Paare, zwei Singles (einer davon ein ewiger, der andere − sie selbst). Zwischen den Gängen gab es niveauvolle Gespräche, hauptsächlich über vitaminschonende Garmethoden und neueste Entwicklungen in der Weinsteinbekämpfung. Die Gruppe war homogen, phasenweise sogar verschworen (gegen Krieg, Armut und Gänsestopfleber). Der frisch aufgehängte Jugendstilluster sorgte für warmes Licht und freundliche Gesichter. The Divine Comedy hatten rechtzeitig für den Anlass ihre aktuelle CD auf den Markt gebracht.
    Ilse lächelte ihrem Roland sogar einmal zu, er massierte ihr zwei Sekunden die rechte Schulter – und das nach dreizehn Ehejahren und zwei Kindern in jenem Köcher, aus dem täglich Antileidenschaftspfeile verschossen werden. Das andere, jüngere Paar, Lara und Valentin, war noch in der Händchenhalteperiode. Hin und wieder umklammerte sie seine Finger mit beiden Händen, vielleicht um ihn fester zu halten, als es ihr auf Dauer gelingen würde. Gerd war natürlich wieder der Witzigste, ein großer Gesellschaftstiger, der mit der Aufgabe, spröde Menschen lockerer und mutiger im Wort zu machen, wuchs. Leider war er nicht schwul, sonst hätte Judith ihn gerne auch öfter alleine getroffen, um ihm persönlichere Dinge anzuvertrauen, als dies in einer Gruppe mit Pärchen möglich war.
    Am Ende solcher Abende, wenn die Gäste

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