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Wild (German Edition)

Wild (German Edition)

Titel: Wild (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lena Klassen
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Boden geschleudert. Der Schmerz war irgendwie irreal. Es fühlte sich an, als würde jemand meinen Kopf in seiner Faust auspressen wie eine Zitrone. Ich lag da, und aus der aufgeplatzten Wunde auf meiner Stirn strömte Blut. Heiß fühlte ich es über meine Haut rinnen. Die Schüler, die sich an mir vorbeidrängten, versuchten über die Blutlache zu hüpfen, um ihre Schuhe nicht schmutzig zu machen. Stöhnend setzte ich mich auf, aber mir war so schwindelig, dass ich mich wieder zurücksinken ließ.
    »Hallo, Kleine.« Ein Mädchen war neben mir stehengeblieben – eine braunhäutige Schönheit mit Rastazöpfen. Sie war nur eine Stufe über mir, aber ich wurde öfter für jünger gehalten als siebzehn. »Du verpasst noch die leckere Honig-Creme. Vielleicht solltest du lieber nicht hier rumliegen.«
    »Ich bin verletzt.« Nur mit Mühe brachte ich die Worte heraus. »Sagst du Doktor Händel Bescheid?«
    »Du kannst hier nicht rumliegen«, beharrte das Mädchen. »Wir dürfen den Fußboden nicht schmutzig machen.« Bestimmt war sie Klassensprecherin und dazu verpflichtet, sich um einen reibungsfreien Ablauf in der Mensa zu kümmern. Ihre Stimme floss an mir vorbei, so wie das Blut mir über die Haut tropfte. Ich betrachtete das Rinnsal, das mir über die Hand lief. Ich hätte ihr ja gerne gehorcht, aber mir war zu schwindelig, um mich zu bewegen.
    Sie drückte auf die Notruftaste neben der Mensa-Tür und wollte schon hineingehen, als ihr offenbar noch etwas einfiel. Undeutlich bekam ich mit, wie sie ein paar Schüler aufhielt und zu mir lotste. Jemand packte meine Knöchel, ein anderer fasste mich unter die Arme, und gemeinsam zogen sie mich zur Seite. Ich beschloss, vorübergehend ohnmächtig zu werden, doch stattdessen fing mein Blick das gesprenkelte Muster des Steinfußbodens ein, das vor meinen Augen zu tanzen begann, und ich dachte an Zimtstreusel auf Honigcreme.
    Das Muster faszinierte mich; die Punkte schienen immer schneller zu hüpfen.
    »Ich geh jetzt«, sagte das Mädchen fröhlich. »Viel Spaß noch!«
    Wenig später beugte sich Felix über mich. »Was machst du bloß, Peas?«, fragte er kopfschüttelnd.
    »Keine Ahnung.« Ich versuchte gar nicht erst, sein Kopfschütteln nachzuahmen.
    Dunkle Wogen fluteten über mich, während er mir mit einem kühlen, feuchten Tuch das Blut abwischte. »Das muss Dr. Händel nähen.«
    »Tja«, murmelte ich, »so komm ich ja doch noch in den Genuss einer Schönheits-OP.«
    Felix mochte mich wirklich leiden, denn er lachte, statt eine dumme Bemerkung zu machen. »Du willst wohl mit einer neuen Nase aufwachen? Keine Chance. Für das hier genügt eine örtliche Betäubung. Wenn überhaupt. Und jetzt ab in den Rollstuhl.«
    Damit ich nicht herausfiel, schnallte er mich fest.
    Als ich versuchte, mich ruckartig umzudrehen, fragte er mich besorgt, ob es wehtat. Dabei versuchte ich nur, durch die Glasscheiben der Flügeltüren einen Blick in die Mensa zu werfen. Moon und Lucky wunderten sich bestimmt, warum ich nicht zum Essen kam.
    »Nein«, antwortete ich. »Gar nicht.«
    Felix schob den Rollstuhl mit einem Affenzahn durch die langen Korridore, und hätte den Letzten in der Warteschlange beinahe umgemäht. »Bahn frei!«
    Man ließ uns durch.
    »Na, dann wollen wir mal, meine liebe Peas«, sagte Dr. Händel. »Keine Angst, es ist gleich vorbei.«
    Um mich herum waberte die Wolke, sodass er sich die Aufmunterungsversuche hätte sparen können. Es war mir sowieso alles egal. Nur nicht der Gedanke an meine beiden Freunde, die allein am Tisch saßen. Bestimmt würde Lucky Moon küssen und ihr die letzten Spuren des Honig-Zimt-Desserts von den Lippen lecken.

3.
    »So was passiert auch nur dir, Pi.«
    »Ich weiß«, sagte ich kleinlaut.
    Moon verzog ihre makellose, blütenweiße Stirn zu einem klitzekleinen Runzeln. Sie betrachtete das überdimensionale Pflaster unter meinem Haaransatz. Lucky war zum Nachmittagssport verschwunden, und um diese Zeit machten Moon und ich normalerweise zusammen Hausaufgaben. Doch heute hatten wir die Schreib-Pads noch nicht mal ausgepackt.
    »Es ist hübscher, wenn ich die Strähnen hier herunterziehe …« Moon biss sich auf die Zunge, während sie an meinen Haaren herumzupfte. »Ich habe richtig Lust darauf, dich mal wieder umzustylen!«
    »Ich dachte, diese Frisur steht mir?«, fragte ich zaghaft.
    Moon hatte ein Händchen für Haare und überhaupt für alles, was mit Schönheit zu tun hatte, dabei war sie diejenige, die es am wenigsten nötig

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