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Wild (German Edition)

Wild (German Edition)

Titel: Wild (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lena Klassen
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zwei, drei Jahre her.
    »Mach es zu!«, schrie Charity, als Lucky das Fenster öffnete.
    Um das ganze Schulgebäude war seit mehreren Tagen ein Gerüst errichtet. Der Wirbelsturm, der vor drei Wochen hier durchgezogen war, hatte Teile des Daches abgedeckt und einige Wärmespeicherplatten aus der Fassade gerissen. Während des Unterrichts beobachteten wir gerne die Arbeiter, die den Schaden behoben. Dass im vierten Stockwerk Leute vor unserem Fenster hin und her marschierten, war irgendwie lustig, aber eine echte Taube war natürlich noch viel spannender.
    »Bist du sicher, dass das nicht ein Adler ist?«, fragte Peace und riss panisch die Augen auf. »Sie ist so riesig!«
    »Ein Schwan«, vermutete Charity.
    »Hat jemand eine Ballastschnitte übrig? Wenigstens ein paar Krümel?« Lucky beugte sich über das Fenstersims.
    Ich trat noch näher an die Öffnung heran. Ja, es war ganz offensichtlich eine Taube. Sie war so groß, dass man sie mit beiden Händen hätte halten müssen, wenn man denn so verrückt gewesen wäre, ein solches Ungeziefer anzufassen. Ihre Federn waren nicht einfach grau, sondern schimmerten metallisch, wie Öl in einer Pfütze. Sie ruckte mit dem Kopf und machte ein paar Schritte vorwärts. Ihre absurd kleinen dünnen Füße waren rosa und wirkten ekelig nackt.
    »Oh Lucky, pass bloß auf«, jammerte Moon. »Du steckst dich noch mit irgendwas an.«
    Aber Lucky hatte schon das rechte Bein über das Sims geschwungen. »Die sehe ich mir näher an. Mach dir keine Sorgen, mir passiert schon nichts.«
    Die Taube flog nicht weg. Sie beäugte ihn aufmerksam, als er auch das linke Bein nach draußen schob und dann mit einem Sprung auf dem Gerüst landete.
    »Oh nein, oh nein«, murmelte Schalom, aber wie wir alle konnte er den Blick nicht abwenden.
    Lucky stand jetzt draußen. Er bewegte sich mit ausgestreckter Hand auf die Taube zu.
    »Du wirst dich desinfizieren müssen«, prophezeite Charity und kletterte ihm nach. »Von Kopf bis Fuß, wetten? Warte, ich hab hier was.« Sie bückte sich und versuchte, den Vogel mit ein paar Krümeln zu sich zu locken. »Komm her, du Parasitenschleuder, komm zu Mami!«
    Merkur war mit einer Flasche Desi-Spray wieder aufgetaucht und stieg nun seinerseits aus dem Fenster. »Lass mich durch!«, rief er. »Hier kommt der Spray-Man! Der Hausmeister ist auch schon unterwegs.«
    »Halt die Klappe. Du erschreckst sie ja.« Lucky hatte noch nicht zu Ende gesprochen, als die Taube hochflatterte.
    Merkur hechtete nach vorn, die Flasche vor sich gestreckt, und pumpte schon, während er noch sprang. Charity, die sich gerade zurückziehen wollte, bekam eine volle Ladung Spray ins Gesicht und taumelte aufschreiend zurück. Auf einmal kam mir das Gerüst unglaublich schmal vor, und die Metallstäbe, die es zusammenhielten, wiesen erschreckend große Lücken auf.
    »He, hiergeblieben«, sagte Lucky und packte Charity am Arm. Er riss sie zurück, und sie prallte gegen ihn.
    »Hoppla.«
    Charity wischte sich mit dem Ärmel über die Augen. »Danke.«
    »Nichts zu danken«, sagte Lucky und küsste sie.
    So war Lucky eben. Er küsste alle Mädchen, die sich irgendwie zum Küssen anboten.
    Merkur steckte den Kopf durch die gekreuzten Metallstäbe und blickte nach unten. »Das ist ganz schön tief, du meine Güte.«
    »Was macht ihr denn da?« Einer der Arbeiter kam gerade die Leiter von der Etage über uns herabgestiegen. »Ihr habt hier nichts zu suchen.« Er trug Werkzeuge in der Hand und versuchte, sich zwischen Charity und Lucky, die am Fenster standen, und Merkur am äußeren Rand hindurchzuquetschen. »Rein da, aber dalli.«
    »Klar«, sagte Lucky. »Entschuldigung.«
    »Jetzt wird mir schwindelig«, verkündete Merkur und sprang zurück. Er stieß gegen den Arbeiter, der seinerseits gegen Lucky und das Mädchen krachte. Einen Moment lang waren alle vier in Bewegung, schwankend wie Fahnen im Sturm, und sogar das Gerüst wackelte. Merkur bekam gerade noch die Metallstangen zu fassen, doch der Arbeiter, der die Hände nicht frei hatte, hatte nicht so viel Glück. Er stolperte nach vorne und verschwand einfach.
    Es war merkwürdig – eben noch stand er zwischen den anderen auf dem Brett, im nächsten Moment war er weg.
    Lucky schubste Charity durchs Fenster und packte Merkur am Hemd.
    »Er … er liegt da unten«, stammelte Merkur. »So ein Pech aber auch.«
    »Ja ja«, sagte Lucky. »Und du gehst jetzt wieder da rein.« Er zog seinen Freund, der die Stangen gar nicht mehr loslassen

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