Wildes Begehren
denken als an den Auftrag.
»Imelda Cortez hat vor, ihre Ware durch den Regenwald zu schmuggeln. Ihre eigenen Männer kann sie dafür nicht gebrauchen, denn sie kommen mit der fremden Umgebung nicht klar. Die Wege werden zu schlammig, sie verirren sich, die Moskitos fressen sie bei lebendigem Leib und selbst kleine Wunden entzünden sich schnell. Sie hat eine ganze Reihe von Leuten durch Verletzungen, Krankheiten und
feindliche Eingeborene verloren. Sobald ihre Männer tief im Wald sind, sind sie für Giftpfeile eine leichte Beute.«
»Deshalb braucht sie die Hilfe der Indianerstämme, die sie seit Jahren dezimiert, doch dort hat sie nicht viele Freunde«, erriet Conner.
»Richtig«, erwiderte Rio. »Imelda musste sie unter Druck setzen, damit sie für sie arbeiten. Daher hat sie damit angefangen Kinder zu entführen. Die Eltern möchten ihren Nachwuchs nicht in Einzelteilen zurückbekommen, deshalb transportieren sie Imeldas Drogen über die neuen Wege, wo sie höchstwahrscheinlich nicht von Regierungsbeamten aufgespürt und abgefangen werden. Mit den Kindern als Geiseln hat Imelda zusätzlich noch den Vorteil, ihre Kuriere nicht bezahlen zu müssen.« Rio zog einen versiegelten Umschlag aus seinem Rucksack. »Das hier ist auch für dich.«
Conner drehte sich wieder um, mied aber den allzu wissenden Blick seines Freundes und streckte nur den Arm aus. Rio drückte ihm den Brief in die Hand.
»Ich muss wissen, ob dein Vater glaubt, dass die Leopardenmenschen verraten worden sind«, sagte Rio. »Haben die beiden Schurken, die für sie arbeiten, Imelda ihre wahre Identität etwa preisgegeben, oder nehmen sie nur ihr Geld?«
Das brachte Conner endlich dazu aufzuschauen. Seine Augen hatten fast keine Iris mehr und tief in ihnen loderte es wie Flammen. Die schlimmste Sünde, die ein Leopard begehen konnte, war es, einen Außenstehenden einzuweihen. Er riss den Umschlag auf und zog ein einzelnes Blatt Papier heraus. Es dauerte einen langen Augenblick, bis er die Botschaft seines Vaters gelesen hatte. Das Summen der nachtaktiven Insekten wirkte überlaut in dem kleinen Raum. An Conners Kinn zuckte ein Muskel. Die Stille dehnte sich.
»Conner«, drängte Rio schließlich.
»Vielleicht solltest du deine Meinung über diese Mission ändern«, meinte Conner, während er das Fell andächtig zusammenfaltete und wieder in den Rucksack steckte. »Aus der schlichten Geiselbefreiung ist ein Mordauftrag geworden. Einer von den beiden abtrünnigen Leoparden hat meine Mutter getötet. Und Imelda weiß von unserem Volk.«
Rio fluchte und ging zum Herd hinüber, um sich eine Tasse Kaffee einzuschenken. »Wir sind also in Gefahr.«
»Zwei unserer eigenen Leute haben uns an Imelda verraten.« Conner schaute auf, rieb sich die Augen und seufzte. »Wenn wir unsere Geheimnisse vor dem Rest der Welt schützen wollen, bleibt mir keine Wahl. Anscheinend möchte Imelda eine ganze Armee von Leoparden zusammenstellen. Die beiden Söldner haben versucht, andere anzuwerben, nicht nur vom ortsansässigen Stamm, sondern auch von außerhalb. Um zu verhindern, dass sie noch andere mit ihrem Geld anlockt, haben die Ältesten den Standort des Dorfes tiefer in den Regenwald verlegt. Die Einzigen, die es noch erreichen könnten, sind jene beiden Leoparden in Imeldas Diensten, und die würden auf der Stelle getötet, sobald sie es wagten, sich dem Dorf zu nähern.« Conner lächelte und bleckte die scharfen, weißen Zähne, doch das hatte nichts mit Humor zu tun. »So dumm werden sie nicht sein.«
»Woran ist deine Mutter gestorben?«, fragte Felipe leise.
Es dauerte einen weiteren langen Augenblick, bis Conner antwortete. Draußen schrie ein Brüllaffe, und mehrere Vögel antworteten ihm. »Nach dem, was mein Vater schreibt, hat einer der Söldner, Martin Suma, sie umgebracht, als sie versuchte, die Entführung der Kinder zu verhindern. Sie
war gerade zu Besuch bei Adan Carpio, einem der zehn Ältesten des Embera-Stammes, als Imeldas Männer über das Dorf herfielen und die Kinder verschleppten. Suma hat die Männer angeführt und als Erstes meine Mutter getötet, denn er wusste, dass sie die größte Gefahr darstellte.« Conner bemühte sich um einen ausdruckslosen Tonfall. »Suma hat mich nie zu Gesicht bekommen, falls ihr euch deswegen Sorgen machen solltet. Ich habe lange genug in Borneo gelebt, um wie einer von dort zu wirken. Felipe und Leonardo sind aus Brasilien, Elijah könnte von überallher sein, nur wenige kennen sein Gesicht, und du
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