Wildes Erwachen
passieren werde, wenn ich nicht mitkomme, habe ich mich angezogen und bin ihm gefolgt, denn ich war der Meinung, er werde mir etwas antun, wenn ich mich anders entscheide. Wir haben das Haus verlassen und sind in seinen Pkw gestiegen. Das war ein roter Audi, das genaue Modell kenne ich nicht. Kurz nachdem wir losgefahren sind, hat er bemerkt, dass wir verfolgt werden. Er meinte, dass das die Polizei ist. Er wollte unbedingt aus der Stadt raus, weil er dachte, dass er die Polizei dort leichter abschütteln kann. Aber es war nicht die Polizei, die uns verfolgt hat, sondern sein Bruder Hans-Jürgen. Das haben wir gemerkt, als der unser Auto mit einem Geländewagen gerammt und in den Schnee gedrückt hat. Anschließend haben sich die beiden sehr laut gestritten. Fritz Nürnberger sagte zu seinem Bruder, er solle verschwinden. Der wollte aber immer nur, dass ich in das andere Auto steige. Er sagte, seine Mutter werde seinen Bruder enterben, und er selbst werde sich um mich kümmern. Dann ging Fritz auf seinen Bruder zu und schubste ihn mit einem heftigen Stoß in den Schnee und forderte ihn auf, endgültig zu verschwinden. Hans-Jürgen hat sich dann erhoben, ist in sein Auto gestiegen. Er fuhr zunächst zurück und dann an uns vorbei. Ich habe geglaubt, dass er wirklich verschwindet. Fritz hat dann versucht, mit dem Auto aus dem Schnee zu kommen. Aber Hans-Jürgen ist wieder zurückgekommen. Er riss die Beifahrertür auf und hat mit einem Gewehr auf seinen Bruder geschossen. Dann musste ich in den anderen Wagen steigen und wir sind nach Kolkenreuth gefahren. Dort sind wir gegen 7 Uhr angekommen.
»Traurige Geschichte«, kommentierte Brückner das Protokoll, »erinnert mich an Kain und Abel.«
»Mit dem kleinen Unterschied, dass sich die beiden nicht um eine Frau gestritten haben«, merkte Kral lachend an.
»Vielen Dank für die Belehrung, Herr Lehrer! Will mir zwar nicht eingehen, dass da keine Frau im Spiel war. Aber wenn du’s sagst, wird’s schon stimmen. Wichtiger scheint mir doch, dass die Sache mit dem Auftragsmord vom Tisch ist. Die Straková hat sich dahin gehend eingelassen, dass die Mafia den Fritz Nürnberger auf jeden Fall kräftig in die Mangel genommen hätte, wenn er noch am Leben gewesen wäre. Außerdem will sie nach seinem Tod keine weiteren Nachforschungen nach ihm angestellt haben.«
»Wie läuft’s denn mit der Dame?«, wollte Schuster wissen.
Brückner hob den rechten Daumen: »Hervorragend! Die plaudert so schnell, dass du gar nicht mit dem Schreiben nachkommst.«
»Läuft da was mit Kronzeugenregelung?«, fragte Kral.
Der Major zuckte mit den Achseln: »Keine Ahnung! Aber wenn du meine Meinung hören willst, man wird was in dieser Richtung machen müssen, denn wer so laut singt, setzt seine Lebenserwartung grob fahrlässig herab.«
Etwas zögerlich meldete sich Schuster zu Wort: »Wir müssen davon ausgehen, dass Wohlfahrt wieder mit großem Getöse an die Presse gehen will. In gewisser Weise ist das ja berechtigt, denn wir haben doch wirklich einiges erreicht.«
»Schon mal schön formuliert, Karl, das ›Wir‹ gefällt mir sehr gut. Und ich sag’ dir auch gleich, dass wir diesmal dabei sein werden. Wenn nicht, gibt’s von unserer Seite keine Ermittlungsergebnisse. Und dann: Hof kann er sich abschminken! Entweder läuft das in Selb oder in Eger.«
Schuster zeigte sich erstaunt: »Und das soll ich dem sagen?«
Brückner lapidar: »Wer sonst? Immerhin bist du ein gestandener Hauptkommissar!«
Schuster kicherte still in sich hinein: »Mein lieber Herr Brückner, fast könnte man glauben, Sie sehen zu viele Kriminalfilme im deutschen Fernsehen, wo der Herr Hauptkommissar wie Supermann durch die Ermittlungen rauscht und mit seinem eher vertrottelten Vorgesetzten Katz und Maus spielt. Naja, diese studierten Juristen haben ja meistens wirklich keine Ahnung von Tuten und Blasen. Aber sie bestimmen die Richtung! Und das zeigen sie dir auch! Und dann«, er war jetzt dabei, sich so richtig in Rage zu reden, »diese Beziehungskisten: Entweder sind diese Kommissare geschieden oder haben Eheprobleme. Kann man noch durchgehen lassen, denn der Job ist durchaus geeignet, eine Ehe kaputt zu machen. Aber jetzt kommt’s: Mit wem sind sie zumindest zeitweise liiert? Mit der Staatsanwältin, der Pathologin, der Psychologin oder irgendeiner anderen Akademikerin! Ich lach’ mich kaputt! In der Realität fassen diese Damen einen Kommissar nicht einmal mit der Beißzange an. Josef, in gewisser
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