Wildes Herz
Janna ihre Haltung, bis sie neben dem Fremden saß und sein Gesicht sehen konnte. Sie musterte ihn. Was für ein Mensch verbarg sich unter dem Schmutz und dem verkrusteten Blut? Hätte sie seine Kraft nicht bereits bemerkt, wäre sein Wuchs viel sagend genug gewesen. Er hatte breite, muskelbepackte Schultern, einen ebenso kräftigen Rücken und schmale Hüften. Seine langen, muskulösen Beine waren schwarz behaart.
Janna wurde zunehmend bewusst, wie männlich und gut aussehend der Mann war. Seine regelmäßigen Gesichtszüge wirkten angenehm. Er hatte eine breite Stirn, die Augen standen ziemlich weit auseinander und waren umrahmt von dichten Wimpern. Er hatte hohe Wangenknochen und eine gerade Nase; der Schnauzbart war sauber zurechtgeschnitten, und das Kinn wies auf große Entschlossenheit hin, die er bereits bewiesen hatte. Sie überlegte, ob seine Augen hell oder dunkel waren. Die Haut gab keinen Hinweis. Die feinen Linien in den Augenwinkeln waren Lachfalten oder Falten vom angestrengten Nachdenken. Unter der Schicht aus Staub und verkrustetem Blut war sein Haar dicht, leicht gelockt und glänzte schwarz wie Rabenfedern. Janna fühlte sich versucht, ihm mit den Fingern durchs Haar zu streichen.
Lautere Stimmen schallten aus dem Tal hinauf. Die Hand, mit der sie das Haar des Fremden streicheln wollte, erstarrte. Cascabels Männer waren näher gekommen, viel zu nah. Sie mussten die falschen Spuren durchschaut haben.
Der Mann schlug die Augen auf. Die Iris war tiefgrün und kristallklar. Ein wilder, feurig leuchtender Überlebenswille stand in seinem
Blick. Sofort legte Janna dem Fremden die Finger auf die Lippen und schüttelte den Kopf. Die andere Hand presste sie auf seinen Brustkorb, damit er ruhig liegen blieb. Er nickte und verstand, dass er weder sprechen noch sich rühren durfte, wenn er ihr Versteck nicht preisgeben wollte.
Erstarrt und mit angehaltenem Atem warteten sie, Cascabels Abtrünnigen lauschend, die das raue Land nach ihrem Opfer absuchten.
Langsam entfernten sich die Geräusche. Offensichtlich waren die Indianer zu der Überzeugung gelangt, ihr verwundetes Wild könnte unmöglich den Weg hinauf zum Plateau gewählt haben. Als die Stimmen verklungen waren und nicht wiederkehrten, stieß der Verletzte einen langen, gebrochenen Atemzug aus. Dann wurde er wieder ohnmächtig.
Janna beugte sich über ihn und strich stumm über sein Haar, um seinen Instinkt zu beruhigen, der ihn bei den ersten Geräuschen seiner Verfolger geweckt hatte. Sie kannte diese Art zu leben. Das Bewusstsein veränderte sich. Ein Teil blieb wach, auch wenn der Mensch schlief. Wie der Fremde war sie immer auf der Hut, erwachte oft und lauschte den Geräuschen der Mäuse und Kojoten, dem Ruf der Eule und dem Rascheln der Zweige im Wind. Sie hatte sich mit den Gefahren der Wildnis abgefunden und dachte nicht mehr über sie nach. Sie waren da wie die Sonne, der Wind oder der leuchtende Silbermond.
Als die Stille eine Stunde angehalten hatte, öffnete Janna vorsichtig den mitgebrachten Lederbeutel und nahm die Kräuter heraus, die sie zu verschiedenen Zeiten und an unterschiedlichen Orten auf ihren Wanderungen durch das Utah-Territorium gesammelt hatte. Einige Kräuter waren bereits zu Salbe verarbeitet. Andere Pflanzen hatten noch ihre ursprüngliche Form. Rasch und ruhig versorgte sie die Verletzungen, die sie erreichen konnte, ohne den Schlaf des Fremden zu stören. Seine Füße waren übersät mit Schnittwunden, Abschürfungen und Domen. Sie reinigte die Wunden und entfernte die Domen. Dann bestrich sie die Füße dick mit Heilsalbe und legte einen Verband an, für den sie Streifen von der Decke riss. Der Mann lag die ganze Zeit bewegungslos da und gab keine Zeichen von sich, dass er aufwachen könnte. Sein kräftiger, regelmäßiger Puls und die gleichmäßige Atmung beruhigten sie.
Nachdem sie nichts mehr für den Verletzten tun konnte, breitete Janna die Decke über ihn, setzte sich daneben und beobachtete die untergehende Sonne. Sie liebte dieses stille Feuer, die glutrote Schönheit, wenn der Himmel sich in ein Flammenmeer verwandelte. In solchen Augenblicken glaubte sie, dass alles möglich war, alles konnte in Erfüllung gehen, sogar ihre leidenschaftliche, stumme Hoffnung, eines Tages ein Zuhause zu haben, wo sie ruhig schlafen konnte und morgens nicht allein aufwachte.
Erst als vollständige Dunkelheit herrschte und der letzte glitzernde Stern am Himmel erschienen war, schlang Janna die Arme um ihre Knie,
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