Wildes Herz
steil zum Mustang Canyon und war angefüllt mit Felsblöcken, fein gemahlenem Schutt und getrocknetem Schlamm.
Janna sprang von Felsblock zu Felsblock, um keine Spuren zu hinterlassen. Schließlich wurde das Tal so eng, dass sie beide Arme nicht mehr gleichzeitig zu den Seiten ausstrecken konnte. Oben, mehr als einhundertundfünfzig Meter höher, lag das Hochplateau. Sie ging weiter, und die roten Felswände rückten noch enger zusammen. Janna drehte sich seitwärts, den Rücken gegen eine Wandseite gepresst und die Füße gegen die andere. Durch die kaminähnliche Öffnung arbeitete sie sich nach oben. Bis zum Hochplateau waren es immer noch hundert Meter; sie kam zu langsam voran. Wenn einer
von Cascabels Männern in das Seitental eindrang, fand er sie innerhalb von Minuten.
Von fern drangen die Rufe der Abtrünnigen zu ihr. Janna konzentrierte sich nur darauf, durch den Felsenschacht zu klettern. Auf dem Plateau würde sie einigermaßen in Sicherheit sein. Endlich oben angekommen, zitterte sie vor Anstrengung. Sie stemmte sich über die Steilkante und blieb flach ausgestreckt liegen. Ihr Atem ging keuchend, sie zitterte vor Anstrengung, und überall waren schmerzende Kratzer und Schnitte von den scharfen Felskanten.
Nicht so wehleidig, schalt sie sich. Er hat viel mehr gelitten und ist trotzdem weitergegangen. Ich darf nicht versagen. Wenn er allein zu sich kommt, bewegt er sich und stöhnt. Dann kommen Cascabels Leute und foltern ihn vier Tage, bis er tot ist.
Der Gedanke setzte Janna in Bewegung. Der Fremde war stark und tapfer. Er verdiente nicht, dass sie ihn Cascabels grausamen Mörderhänden auslieferte. Sie stand auf und begann den Marsch über das Black Plateau. Das Gebiet gehörte zu den Sommerweiden von Lucifers Herde. Sie kannte das Hochplateau mit den windzerzausten Bäumen, den grünen Wiesen und zerklüfteten Rändern besser als kaum ein anderer.
Seit fünf Jahren folgte sie Lucifers Herde, kümmerte sich um kranke und lahme Tiere, freundete sich mit Pferden an, die menschliche Nähe oder Leckerbissen suchten, und ließ die anderen in Ruhe, die nichts von Menschen annehmen wollten, nicht einmal Sicherheit. Eines dieser Pferde war ihre einzige Gesellschaft in der wilden Einsamkeit hier oben. Die Stute kam freiwillig, hielt sich in ihrer Nähe auf und trug sie auf waghalsigen Ritten über das zerklüftete Land. Sie hoffte Janna jetzt zu finden. Nachmittags graste die Herde häufig in diesem Gebiet.
Sie fand Lucifer und seinen Harem auf einer der Hochwiesen, durch die sich ein kleiner Bach zog. Manche dieser Grasflächen waren von dichten Pinonwäldern eingeschlossen und schlängelten sich wie grüne Bäche talabwärts.
Janna hob die Hand an den Mund. Augenblicke später gellte der raue Schrei eines Habichts über die Wiese. Sie rief drei Mal. Dann ging sie zu einem kleinen Versteck. Diese Plätze hatte sie überall auf der Hochfläche und in der Umgebung eingerichtet, falls Cascabel wieder einfallen sollte, sie zu jagen. Sie nahm eine Feldflasche, einige grobe Lederriemen, einen Lederbeutel mit verschiedenen Kräutern und eine Decke heraus, dazu eine kleine mit Gold gefüllte Börse. Sie hatte noch mehr Gold. Es stammte von Mad Jack, der behauptete, es wäre der Anteil ihres Vaters an seiner Goldmine. Als ihr Vater vor fünf Jahren gestorben war, hatte Mad Jack ihr die Ausbeute einfach gegeben.
Janna überlegte kurz und nahm noch ein Messer aus dem Versteck. In wenigen Sekunden hatte sie die Decke zu einem Rucksack verschnürt. Sie schulterte das Bündel und blickte zu den grasenden Wildpferden. Die Ohren aufgerichtet, starrte Lucifer in ihre Richtung, war aber nicht beunruhigt. Er hatte sie nie näher als einhundertundfünfzig Meter an sich herangelassen, doch rannte er nicht mehr vor ihr weg und drohte auch nicht mit einem Angriff. Für ihn war sie ein besonders langsames und unbeholfenes Wesen, das gelegentlich auftauchte und Steinsalz und Getreidekörner zum Naschen mitbrachte. Sie roch nach Mensch, stellte aber keine Bedrohung für seine Herde dar.
Als Janna an dem Bach ihre Feldflasche füllte, kam freundlich wiehernd eine von Lucifers Stuten zu ihr herübergetrottet. Zebra hatte ein graubraunes Fell; Mähne, Schweif, Fesseln, Ohren und das Maul waren schwarz, und über ihren Rücken lief ein schwarzer Streifen. Cowboys nannten Pferde mit dieser Färbung Zebrabraune und schätzten sie wegen ihrer Ausdauer, Intelligenz und der natürlichen Tarnung. Wo andere Pferde von feindlichen
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