Wildnis: Thriller - Band 2 der Trilogie
letzter Sekunde hat sie ihre große Liebe entdeckt, für einen Schulfreund von mir.“
„ Auf Schulfreunde kann man sich nicht verlassen“, bemerkte Anna.
Ralph lachte. „Ja, ihr habt da eure Erfahrungen gemacht. Was ist eigentlich aus dieser Jenny geworden, die euch am Ende fast durchgegangen wäre?“
„ Das letzte Mal habe ich mit ihr Anfang Oktober telefoniert, und da hat sie ziemlich deutlich durchblicken lassen, dass sie keinen Kontakt mehr wünscht“, sagte Jan. „Ich habe ihr trotzdem noch eine E-Mail geschickt, aber keine Antwort erhalten.“
„ Der läuft er hinterher und bei mir hat er sich nicht ein einziges Mal gemeldet“, beschwerte sich Anna.
Jan verwirrte dieser Einwurf trotz des spaßhaften Tons. In der Nacht hatte Anna bei ihm Zuflucht gesucht. Am Morgen hatte sie ihm versteckte Gemeinheiten vor den Latz geknallt, bis die dramatischen Geschehnisse sie unterbrochen hatten. Seitdem hatten sie keine Minute mehr unbeobachtet zu zweit verbracht, und jetzt tat sie so, als habe sie in Paris seinem Anruf entgegengefiebert.
„ Aus rein professionellen Gründen bin ich verpflichtet, euch eine Frage zu stellen“, Ralph schaute seriös. „Was zum Teufel läuft zwischen euch beiden eigentlich?“
Anna wartete, doch da auch Jan schwieg, sagte sie: „Wir ... Als wir aus Alaska zurückgekommen sind ...“ Ihre Unterlippe zitterte, sie schluckte. „Er war in Berlin und ich in Paris.“
Nach einigen Sekunden fragte Ralph väterlich: „Und? Der wahre Grund?“
Anna schüttelte den Kopf, unfähig zu sprechen.
Ralph wandte sich an Jan: „Du hättest dich gerne bei ihr gemeldet, nicht wahr?“
„ Ja.“ Er blickte Anna in die Augen. „Ich habe sie sehr vermisst.“
Sie schwiegen wieder, bis Ralph auflachte. „Ihr beide geht mir ganz schön unter die Haut. Wenn ihr nicht wieder zurück nach Deutschland müsstet, würde ich euch ab und an ausleihen und in den Zoo mitnehmen.“
Anna hatte ihre Fassung zurückgewonnen und bemerkte spitz: „Dafür sind wir schon ein bisschen alt. Aber falls du wissen möchtest, wie Essen schmeckt, das nicht aus der Mikrowelle kommt, kannst du uns in Europa besuchen.“
„ So lange müssen wir nicht warten. Wenn wir aus dem Mörder Hackfleisch gemacht haben, kriegt ihr sicher eine Belohnung. Die können wir verfuttern.“
Die beiden setzten den Schlagabtausch fort, als müssten sie sichergehen, dass die Gefühle nicht zurück an die Oberfläche kommen könnten. Jan grübelte, was Anna für ihn empfand und weswegen sie sich so wechselhaft verhielt.
Das Flugzeug ging in einen unruhigen Landeanflug über. Fairbanks lag inmitten waldigen Hügellandes, durch das sich das gleichmäßige Band eines zugefrorenen Flusses schlängelte.
Ralph musste den Einsatz vorbereiten und ließ seine Schützlinge unter Bewachung im Flugzeug zurück. Eine Weile darauf kam eine zierliche Mitarbeiterin eines Catering-Services und brachte ihnen Antipasti, gefüllte Cannelloni und Tiramisu, dazu eine Flasche Chardonnay. Das Essen war vorzüglich und zum Nachtisch gab es sogar ein Fläschchen süßen Himbeerweins aus Alaska. Jan und Anna stießen auf den Gastgeber an. Ihre Unterhaltung wurde immer heiterer, aus den Neckereien entwickelte sich ein unverblümter Flirt.
„ Wie die Gladiatoren!“ Jan fuchtelte mit dem Plastikbesteck durch die Luft. „Die haben auch ein Gelage vorgesetzt bekommen, bevor sie in den Kampf mussten.“
„ Soll ich der Tiger sein?“ Anna kicherte ausgelassener als sonst. „Ich bin viel zu satt, um dich noch aufzufressen.“
„ Dann bin ich der Tiger.“ Jan ließ das Besteck fallen und zeigte seine Krallen. „Und du bist die Gazelle.“ Er fuhr mit einer Pranke durch die Luft und fletschte die Zähne.
„ Jan, der Tiger?“ Sie beäugte ihn spöttisch. „Du würdest nur im Zoo satt werden.“
Er schnellte vor und setze die Zähne an ihren Hals.
Lachend floh sie den Gang hinunter, bis er sie packte und an sich presste. Da stieß sie ihm den Ellenbogen in den Magen. Auf eine Lehne gestützt rang er nach Atem. Bestimmt hatte sie ihre Kraft unterschätzt.
„ Mach so was nie wieder!“, zischte sie.
„ Wir haben geblödelt, es tut mir leid –“
„ Wenn du Frauen begrabschen willst, hast du heute Abend die Gelegenheit dazu.“ Sie lächelte kühl. „Du warst doch schon mal in Paris?“
Jan nickte.
„ Auch im Moulin Rouge?“
„ Nein.“
„ Bist du gespannt auf heute Abend?“
„ Lass das! Wir wissen ja noch nicht einmal, was Ralph
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