Wildnis: Thriller - Band 2 der Trilogie
hatte. „Ich glaube, dass Wilken tatsächlich Furcht vor dem Mörder hatte.“
Sie schauten auch die restlichen Fotos durch, fanden jedoch keine ihnen bekannten Gesichter.
„ Wilken hat hunderte von Menschen getroffen und ich konnte nicht jedem Einzelnen bis ins Letzte nachforschen.“ Oliver verfrachtete die Stapel zurück in den Rucksack. „Ich werde später versuchen, mehr über den Einsiedler herauszubekommen. Aber erst werde ich euch von mir und dem Anführer der Verschwörer erzählen. Ihr sucht nach Verbindungslinien zu euch: irgendetwas, das euch irgendwie bekannt vorkommt. Lasst jede Assoziation zu, unterbrecht mich, wann immer euch etwas einfällt.“
„ Worauf sollen wir besonders achten?“, fragte Jan.
„ Ich habe keinen Anhaltspunkt. Alles ist gleich wichtig, jedes Element kann euch den entscheidenden Einfall geben. Glaubt daran, dass wir etwas finden werden, dann ist euer Gehirn kreativer. Es muss einen sehr speziellen Grund geben, weswegen die Verschwörer euch ausgewählt haben. Etwas, das euch ausmacht und das sie sich nicht einfacher auf anderem Weg beschaffen können.“
Jan hatte die Begründung, dass der Mörder krankhaft Anna begehrte, schon bei der ersten Besprechung mit Ralph nicht überzeugt. Er stimmte mit Oliver überein, dass es einen persönlicheren Grund geben musste, weswegen die Verschwörer es auf sie abgesehen hatten.
„ Gut, ich beginne“, sagte Oliver. „Der Kopf hinter der Verschwörung heißt Albert Bennett, er ist ehemaliger CIA-Mitarbeiter. Wilken und Refford waren nur Marionetten, die Landrechte kaufen sollten. Vermutlich sind Alberts einzige Mitwisser die Drogenbarone, die das Unternehmen finanzieren, Ms. Reed und vielleicht ein oder zwei ihrer engsten Vertrauten. Albert hält alle Fäden zusammen, Ms. Reed und die Drogenbarone dürften nur das Geschäftsmodell kennen.“
Er faltete die Hände auf dem Tisch ineinander. „Ich selbst wurde am 8. März 1953 in Sheridan, Wisconsin geboren. Meine alkoholkranke Mutter zog mich alleine auf, mein Vater ist unbekannt. Als ich acht war, wurde ich in eine Pflegefamilie nach Kenosha gegeben. Meine Pflegemutter vergötterte mich, aber ihr Mann fühlte sich minderbemittelt und zurückgesetzt. Er ließ seine Frustration an mir aus, bis ich mit sechzehn endlich wegkam, auf ein Internat für Hochbegabte. Von dort rekrutierte mich die CIA. Nach der Grundausbildung kam ich in eine Abteilung für die Leitung unserer Operationen im Vorderen Orient. Ich entwickelte eine besondere Beziehung zu meinem Boss Albert, der 13 Jahre älter war als ich. Ein eigentümlicher Mensch. Er suchte in allem nach Schönheit oder wenigstens nach Mustern, indem er vom eigentlichen Gehalt eines Gegenstands abstrahierte und sich auf das ästhetische Detail konzentrierte. Ich bezeichnete ihn als universellen Ästheten.“
Jan erinnerte sich daran, dass er auf Gemeinsamkeiten achten sollte. Rasch prüfte er, was er gehört hatte: Wisconsin, Internat, CIA, Iran – zu nichts hatte er einen Bezug.
„ An einem Mai-Abend im Jahr 1977 war ich mit Albert auf dem Rückweg von einem Geschäftsessen. Ich war damals 24 und seit sechs Jahren bei der CIA, wir waren mittlerweile sehr vertraut. Er nahm mich in einen Blumenladen mit.“ Olivers Stimme war weicher und lebhafter geworden.
„ Wir warteten eine Weile inmitten der Schnittblumen, Palmen, Kakteen und Hängepflanzen, fast wie in einem Urwald, dann wurde ein Vorhang zur Seite geschoben und plötzlich stand sie vor mir, mein Mädchen! Sie lächelte und ich wusste zwei Dinge mit unumstößlicher Gewissheit: dass sie die Liebe meines Lebens war und dass ich nie ihr Geliebter werden konnte. Sie war das schönste Geschöpf, das Gottes Zufall je geschaffen hat. Selbst die Lilien und Strelitzien verblassten, als sie eintrat.“ Die Verwandlung war vollkommen. Bevor Oliver ins Erzählen geraten war, hatte er keine Regung außer unterdrückte Wut gezeigt. Nun zeugten Stimme, Gestik und Mimik von seiner Hingerissenheit.
„ Albert fragte nach ihrem Namen. Sie hieß Lucia. Als wir wieder auf der Straße standen, zog mich Albert damit auf, dass ich mich verliebt hätte. Er wusste, dass ich keinen Umgang mit Frauen pflegte. Bei der CIA haben die Mitarbeiter keine Geheimnisse vor ihren Bossen. Ich hatte mit sechzehn eine unglückliche Erfahrung mit einer Zwanzigjährigen, seitdem trat ich dem schönen Geschlecht nur durch Blicke nahe. Mein Äußeres prädestinierte mich ohnehin nicht zum Casanova. Einige Tage darauf
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