Wildnis: Thriller - Band 2 der Trilogie
wird. Über dreißig Jahre später entdeckst du, dass Albert sich damals nach Argentinien und dann nach Mexiko abgesetzt hat. Dort hat er Kontakte zur Drogenmafia geknüpft, mit deren Geldern er jetzt ein Politkomplott betreibt. Als Chef eines Sicherheitsdienstes mit Kunden in der Ölindustrie kann er auch Ms. Reed kennengelernt haben. So weit ist alles stimmig. Aber wir passen nicht in das Bild! Er hat ein Komplott am Laufen, mit dem er die Präsidentschaft der Vereinigten Staaten und ihre Energiepolitik beeinflussen und damit Milliarden gewinnen möchte. Alles scheint glatt zu gehen. Sein primäres Interesse ist, kein Aufsehen zu erregen. Warum also all die Morde?“
Oliver zog die Augenbrauen zusammen und nickte unzufrieden.
„ Was weißt du noch von Albert?“
„ Vermutlich hat er die anderthalb Jahre zwischen seinem Verschwinden aus den USA und seiner Ankunft in Mexiko durchgehend in Argentinien verbracht. Was mit Lucia geschehen ist,“ seine Halsmuskeln spannten sich an, „weiß ich nicht. Er hielt sie in einem Haus auf dem Land gefangen. Ich habe mit einer Hebamme gesprochen, die hoch und heilig schwor, Lucia im November 78 entbunden zu haben. Die Tochter wurde einem amerikanischen Ehepaar übergeben, das mittlerweile gestorben ist. Sie haben das Baby gleich weitergereicht, wahrscheinlich an einen US-Soldaten, der in Deutschland stationiert und auf Heimatbesuch war. Eigenartigerweise gibt es keine Aufzeichnung darüber. Jedenfalls hat Albert –“
„ Nach Deutschland?“, rief Jan. „Vielleicht – nein, das ist unmöglich.“
„ Was denn?“, fragte Anna.
„ Könntest du nicht Alberts Enkelin sein?“
„ Ich?“
„ Ja! Deine Mutter ist Latina, dein Vater Deutscher. Und wenn deine Mutter dich sehr früh bekommen hat –“
„ Meine Mutter war aber schon 28, als sie mich zur Welt gebracht hat. Und sie ähnelt stark ihrer Mutter und einer ihrer Schwestern, sie kann kein Adoptivkind sein.“
„ O.k., den Einfall können wir streichen.“
„ Und wenn du sein Enkel wärst?“
Jan lachte. „Dann sähe ich anders aus, mehr wie ein Latin Lover.“
„ Deine Mutter ist doch jung.“
„ Sie war noch nicht ganz 16, als ich kam.“
Oliver mischte sich aufgeregt in das Gespräch ein: „Hat deine Mutter etwas Lateinamerikanisches an sich?“
„ Hm, nicht direkt, am ehesten ihre Augen. Und sie wird im Sommer schnell braun.“
Mit einer Handbewegung trieb Oliver ihn an. „Beschreib sie! Ist sie künstlerisch? Tanzt sie?“
„ Nein, sie kocht gut, aber sonst?“ Jan dachte nach, ob er je einen künstlerischen Zug an seiner Mutter entdeckt hatte. Oliver schaute so ungeduldig, dass er schnell hinzufügte: „Sie heißt Susanne. 1,71 m, hellbraune Haare, braune Augen, schmal, früher war sie hübsch, jetzt sieht man ihr an, dass sie depressiv ist.“
„ Depressiv? Albert befand sich immer am Rande der Depression.“ Ein Schütteln durchlief Oliver. „Wann wurde deine Mutter geboren?“
„ 1978.“
„ In welchem Monat?“
„ Am 30. November.“ Sie hatten kurz vor seinem Abflug ihren Geburtstag gefeiert. Er sah seine Eltern am blumengeschmückten Mittagstisch sitzen, bemüht, ein Gespräch aufrechtzuerhalten, bis Oma zum Kaffee einträfe.
„ Das haut hin. Albert hat sie im Dezember 77 entführt.“
„ Nicht zu schnell. Meine Mutter ist depressiv und zur richtigen Zeit geboren, und sie ist vom Typus her eher mediterran. Das reicht nicht als Beweis.“
„ Machen wir weiter. Hat deine Mutter eine enge Beziehung zu Lateinamerikanern oder sonstigen Ausländern? Zu einem Paar, das eine Generation älter ist?“
Jan schüttelte den Kopf.
„ Und früher? Vielleicht nur ein Briefwechsel zu Weihnachten?“
„ Auch nicht ... Aber Opa kannte viele Amerikaner, als sie noch in Heidelberg lebten! Da war das Hauptquartier der US-Armee in Europa. Und Opa sagt gerne, dass das die besten Kunden waren, die er je hatte.“
„ Also wurde Susanne tatsächlich an den in Deutschland stationierten Soldaten gegeben. Hat deine Mutter eigentlich Geschwister?“
„ Nein.“
„ Wieviel älter sind deine Großeltern?“
„ Dreißig Jahre.“
„ Das war damals ziemlich alt für ein erstes Kind. Es spricht dafür, dass sie aufgegeben und sich zur Adoption durchgerungen haben.“
„ Das genügt“, entschied Anna. „Wenn man dazu noch bedenkt, dass du Albert einen ‚universellen Ästheten‘ genannt hast und dass Jan ganz sicher ein Ästhet ist ... Könnte Albert nicht selbst der Mörder
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