Wildnis: Thriller - Band 2 der Trilogie
Cabrio gestohlen, sind damit auf ein Pier hinausgefahren, haben Champagner getrunken und zum Abschluss den Wagen versenkt. Mit solchen Eskapaden konnte ich nicht mithalten. Wenn ich das rechtzeitig verstanden hätte, vielleicht hätte ich die beiden in ihren Abgrund rauschen lassen. Aber ich gab Oliver die Schuld. Sein schlechter Einfluss ... Das ist allerdings nicht der Grund, weswegen ich ihn umkommen lassen wollte.“ Albert suchte Jans Blickkontakt. „Mehr noch als das, was er aus ihr machte, besorgte mich, was er mit ihr machen könnte. Ich bin mir sicher, er war sich dessen selbst noch nicht bewusst, doch ich hatte Ähnliches bereits zuvor bei ihm gesehen, nicht mit Frauen, mit anderen Passionen: seine liebevollen Versuche, die versiegende Quelle einer Lust frisch sprudeln zu lassen, das Entsetzen, mit dem er dem ausbleibenden Strom nachgrub, und schließlich die Wut, mit der er das letzte Rinnsal verschüttete. Er war nicht bereit, einen Genuss ausklingen zu lassen, er gab keiner Freude die Zeit, sich zu regenerieren, er warf alles weg, trat darauf, als habe es ihn verraten, und suchte Neues. Als Oliver mir zum ersten Mal hilflos berichtete, dass sie sich auf einem Wochenendausflug gelangweilt und gestritten hatten, war ich alarmiert. Das war für ihn keine Selbstverständlichkeit. Die Weltzerstörung, davon fühlte er sich bedroht, anders konnte er die Schwierigkeiten seiner Beziehung zu Lucia nicht fassen. Für ihn gab es nur einen Ausweg: noch enger mit ihr zu verschmelzen, ihre rasende Fahrt weiter zu beschleunigen. Ab da rechnete ich damit, dass er sie töten würde. Mir schien seine Beseitigung unvermeidlich.“
Jan beobachtete den alten Mann, der zutiefst bewegt dennoch mit sparsamen, bezeichnenden Gesten sprach. Konnte er ihm trauen? Immerhin hatte Oliver ja selbst zugegeben, dass seine Beziehung zu Lucia aus der Bahn zu geraten drohte und einer Auszeit bedurfte.
„ Ich erwog, bei meinem Vorgesetzten dafür einzutreten, dass Oliver ausgeschaltet würde. Doch ich hatte nichts Belastbares, nur Hunderte kleiner Hinweise, auf die ich im Laufe der Jahre bei Oliver zu achten gelernt hatte. Nichts, womit ich die Bosse dazu bringen konnte, ihn auszuschalten, ohne ihn von anderen Experten heimlich begutachten zu lassen. Oliver hätte eine solche Prüfung mitbekommen und zutreffend interpretiert. Er hatte bereits Witze in diese Richtung gerissen und war sich der Gefahr bewusst. Hinzu kam, dass die Bosse in seine Fähigkeiten verliebt waren. Selbst wenn sie zu dem Schluss kommen sollten, dass er ein eigentlich untragbares Risiko darstellte ...“ Er machte eine wegwerfende Handbewegung. „Ich musste handeln, ohne mich durch ein internes Verfahren zu binden. Also sandte ich ihn nach Mosambik.“
Albert wurde eine Spur lauter. „Es war die richtige Entscheidung. Das fanden auch die Rebellen. Er hat mit ihnen gemordet und vergewaltigt und sich zwei Sklavinnen gehalten. Sein Nachfolger hatte einen schweren Stand.“ Ein sarkastisches Lachen. „Auch mein Misstrauen gegenüber der CIA war angebracht. Sie bekamen zwangsläufig heraus, was er in Afrika getan hatte, und behielten ihn trotzdem im Dienst, zunächst, glaube ich, in Washington, um ein Auge auf ihn zu haben, später ließen sie ihn wieder ins Feld ziehen. Einige Monate nach Lucias Tod begann ich, Killer auf ihn anzusetzen. Alle schworen sie, dass er sich nicht mehr in Washington aufhielt. 1992 meinte einer, seine Spur in Afghanistan aufgenommen zu haben. Zwei Wochen darauf meldete er aus Kabul, Oliver sei möglicherweise der legendäre CIA-Agent gewesen, der während des Krieges unter den Russen gewütet hatte. Eine weitere Woche später wurde die Leiche meines Killers in einem Taxi zur amerikanischen Botschaft gebracht. Seitdem habe ich nicht wieder von ihm gehört, bis Refford im Chix-Tal ermordet wurde.“
Vor vierundzwanzig Stunden hatte Jan noch nichts von der Existenz dieses Großvaters gewusst. Nicht einmal Oliver hatte er gekannt. Und nun hatte er beide Seiten dieser schauerlichen Geschichte gehört. Sie deckten sich weitgehend. Oliver hatte kaum gelogen, nur viel verschwiegen. Es mochte durchaus sein, dass sein Pflegevater ihn missgünstig behandelt hatte, doch der Grund für den Wechsel ins Internat war dieser Konflikt nicht gewesen. Von der Nachbarin, die er auf einem Fabrikgelände gefangen gehalten hatte, war bei Oliver keine Rede gewesen. Dass ihn das barbarische Wüten des Bürgerkriegs in Mosambik zunächst entsetzt hatte, mochte
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