Wildnis: Thriller - Band 2 der Trilogie
ebenfalls der Wahrheit entsprechen. Dass er der Versuchung der Anarchie erlegen war, hatte er nicht gestanden. Nur über Lucia hatte er gelogen, sie als Blumenmädchen eingeführt.
Weshalb?
War das eine romantische Verklärung?
Was sprach gegen eine Balletttänzerin?
„ Oh Gott!“, stöhnte Jan. „Nein! Das darf nicht sein!“
Oliver hatte sich als junger Mann an Frauen vergangen, eine Tänzerin abgöttisch geliebt, die stickte, in Afrika seine gestörten Fantasien ausgelebt, zehn Jahre im afghanischen Kriegsgebiet verbracht, mehr noch in Russland, das seinen Mächtigen Straffreiheit bot, und war danach auf seiner Jagd nach Albert durch Mexiko gekommen, wo die beiden ersten Frauen verschwunden waren.
Oliver musste die Bestie sein, die auch im Chix-Tal gemordet hatte, der auch die Tänzerinnen im Winter zum Opfer gefallen waren. Die Wirklichkeit reichte ihm nicht, er träumte von einem verlorenen Paradies, das ihm Albert geraubt hatte, und er stieß seine Opfer in die Hölle auf Erden, um dieses Paradies für Stunden wiederzuerlangen.
Und nun hatte er Anna.
10. Kapitel
„ Oliver ist der Mörder!“, rief Jan. „Oliver war der Einsiedler im Chix-Tal!“
Albert blickte verwirrt. „Natürlich. Das wusstest du nicht? Er hat euch doch aus der Mine entführt.“
Jan versuchte zu begreifen, was geschehen war. Wie war es möglich, dass sie Oliver nicht erkannt hatten? Nicht einmal auf dem Foto mit Wilken! Deshalb hatte Oliver das Foto unscharf aufgenommen: damit sie ihn nicht im direkten Vergleich enttarnen konnten.
„ Schnell, wir müssen Anna finden!“ Jan sprang auf. „Wir müssen mit allen deinen Männern los! Nein, wir müssen das FBI kontaktieren! Du musst ihnen alles sagen, was du über Oliver weißt.“
„ Immer mit der Ruhe. Es war so viel Polizei unterwegs, dass Hernandez mehrere Stunden gebraucht hat, um dich zu mir zu bringen. Dann musstest du aufwachen und jetzt habe ich eine Viertelstunde verschwendet, weil mich die Vergangenheit eingeholt hat. Da können wir uns auch noch die Zeit nehmen, ruhig nachzudenken, ehe wir handeln.“
Wut erfasste Jan. Albert sprach so besonnen, er verstand nichts von dieser würgenden Angst! Während Anna in den Klauen des Untiers lag, hatte Albert diese verworrene Geschichte ausgebreitet und er selbst hatte sich hineinziehen lassen, ohne zu erkennen, welche schreckliche Bedeutung sie in sich trug. „Wir müssen Anna befreien!“, schrie er.
„ Glaub mir, ich weiß, was es heißt, Angst zu haben, dass Oliver einer Frau etwas antun könnte.“ Albert wies auf den leeren Sessel. „Setz dich.“ Sein Arm war nur leicht vom Körper abgewinkelt, die Hand nach oben geöffnet – es war keine herrische Geste, doch er hielt sie, bis Jan ihr nachgab. „Wie kommt es, dass ihr Oliver vertraut habt? Was hat er mit euch angestellt?“
„ Die Entführer haben uns eingesperrt. Dann kam Oliver und hat uns gerettet. Er hat es so eingerichtet, dass einer der Entführer in einer künstlichen Blutlache in der Garage lag, als wir aus unserem Loch stiegen. Wir dachten, dass Oliver ihn erschossen hatte. Er hat uns zu einem Haus gebracht, das über den Winter nicht bewohnt ist. Dort haben wir uns bis spät in die Nacht unterhalten. Heute Morgen hat er uns lange ausschlafen lassen und auf einen Spaziergang geschickt. Kaum waren wir los, ist er uns hinterher gerannt und hat geschrien, dass die Gangster gleich kommen würden. Wir sind zu dritt mit einem versteckten Motorschlitten geflohen. Als Oliver sah, dass uns zwei Motorschlitten folgten, hat er entschieden, dass ich ihn und Anna in einem Busch absetzen und alleine weiterfahren sollte. Ich bin zu einer Hütte gelangt und dort haben mich deine Gangster gefangen genommen.“
„ Worüber habt ihr mit Oliver gesprochen?“
Jan wollte alles zugleich erzählen, damit sie endlich handeln konnten – aber ein innerer Alarm hielt ihn zurück: Sie hatten sich von Oliver und Ralph täuschen lassen, nun durfte er mit Albert nicht vorschnell kooperieren und dabei neues Unheil anrichten. Er blickte Albert fest in die Augen. „Erkläre du mir erst, wie uns deine Gangster gefunden haben.“
„ Ich verstehe, du bist vorsichtig geworden.“ Auf die Armlehne gestützt setzte sich Albert schräger in den Sessel, so dass er Jan direkter gegenübersaß. „Was sich 2010 im Chix-Tal ereignet hatte, beunruhigte mich. Das Verbrechen betraf zwei Männer, die in wichtigen Positionen für mich arbeiteten, wenngleich sie mich nicht kannten. Und es
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