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Wildnis: Thriller - Band 2 der Trilogie

Wildnis: Thriller - Band 2 der Trilogie

Titel: Wildnis: Thriller - Band 2 der Trilogie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Valentin Zahrnt
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traurig geworden. Aber deine Lust am Schönen war zu schwach, um dich aus dem Kerker deiner Gewohnheiten und Ängste und Glaubenssätze zu befreien. Erst für Lucia hast du alle Ketten abgeworfen: um sie in deine Ketten zu legen.“ Albert protestierte, doch seine Stimme ging in Olivers Predigt unter. Selbst wenn Oliver mit freien Armen von einer Kanzel gesprochen hätte, gewaltiger hätte er nicht wirken können als gefesselt im Anblick der Waffe. „Aber du bist wieder eingeschlafen, obwohl mein Gespenst dich hätte wachhalten müssen. Du füllst dein Haus mit falschen Erinnerungen, weil du dich nicht traust, dir deine wahre Vergangenheit einzugestehen: dass du nur gelebt hast, als du sie mir raubtest – und dass du wieder rauben und leben willst. Dein Haus ist ein Mausoleum, kahl und grau, geräumig und doch ohne Raum, ohne Raum für die Sehnsucht nach der einen Toten, für die Sehnsucht nach dem Töten. Denn das ist Lucia für dich: der eine Moment der Freiheit zu rauben, zu vergewaltigen und zu morden.“
    Albert brauchte einige Sekunden, um sich zu besinnen, dann sagte er mit Trotz: „Du preist dich selbst. Du misst mich an deinem Maß der Unmenschlichkeit und findest zu Recht, dass du größer bist. Denn ich kenne noch Werte.“
    „ Ist der Schimpanse böse, weil er mit seiner Horde den Artgenossen aus der Nachbarschaft erschlägt? Jeder versucht, sein Territorium zu vergrößern, das ist das Gesetz der Natur. Nur der Mensch beschränkt seine Möglichkeiten und hält sich deshalb für überlegen. Zwanzig Jahre lang habe ich für die CIA gearbeitet, im Nahen Osten, in Afrika, in Afghanistan. Werte sind eine Ausrede der Schwachen und eine Lüge der Starken. Werte sind eine Waffe für Tiere, die ein wenig klüger sind als Affen.“ Oliver lachte auf. „An dem Tag, an dem du mir Lucia raubtest, kanntest du keine Werte.“
    „ Ich habe ihr geholfen, vor dir zu fliehen“, schrie Albert erregt.
    „ Du hast sie geraubt!“
    „ Sie begriff, dass du sie vernichten würdest, so wie du seitdem Frauen ermordet hast. Dein ganzes Leben gibt ihr recht.“
    Oliver war bis zur Kante vorgerückt und schrie heiser: „Du bist ihr Mörder!“
    „ Nein!“ Albert hämmerte mit dem tumben rechten Arm auf sein Knie. Der ganze Körper bebte in der krampfhaft wiederholten Bewegung mit. „Nein! Ich wollte sie retten! Sie ist wahnsinnig geworden! Ich war mit ihr bei einem Psychiater, ich wollte sie retten, aber der Gedanke an dich hat sie aufgefressen, wie ein Krebs haben die Erinnerungen ihre Seele zersetzt. Du trägst die Schuld, dass sie sich den Hunden vorgeworfen hat!“ Er hob wieder die Pistole, doch sie schwankte so stark, dass er Oliver selbst auf drei Meter verfehlen mochte.
    Oliver stand auf. „Siehst du ihre Größe, Albert? Sie hat sich nicht in deine Enge knechten lassen, sie ist durch die Mauern deines Verlieses in den Wahnsinn gegangen.“
    „ Bleib, wo du bist!“ Panik mischte sich in Alberts Stimme.
    Jan presste die Augen zusammen. Er wollte nicht noch einmal zusehen, wie ein Mensch erschossen wurde.
    Nichts geschah. Als er die Augen öffnete, stand Oliver unverändert vor seinem Sessel.
    Albert hielt die Pistole ein wenig ruhiger. „Sei vernünftig und ich schenke dir einen gnädigen Tod.“
    „ Du bist nicht würdig zu siegen!“ Oliver schien zu wachsen. „Du hast mich ein halbes Menschenleben lang gefürchtet. Und jetzt, im großen Moment – einen gnädigen Tod? Wir brauchen einen wahrhaftigen Tod, einen persönlichen, hassenden, rasenden Tod, der unserer würdig ist.“
    „ Lass das!“
    „ Willst du nicht so groß sein über meiner Angst wie das Himmelsgewölbe und so ewiglich wie die Sterne, wenn das letzte Sandkorn meiner Lebensuhr verrinnt, und für eine glückliche Einmaligkeit erblühen, wenn meine Tränen in deine Wüste fallen?“
    „ Lass mich! Ich bin nicht wie du.“
    „ Nur Lucia war wie ich.“
    Albert schüttelte den Kopf. „Du wirst die Wahrheit nicht mehr akzeptieren.“ Er mühte sich auf die Beine, ohne die Pistole von Oliver zu lassen. „Nehmen wir voneinander Abschied.“
    „ Sie ist dir entkommen!“, triumphierte Oliver.
    „ Lucia und ich wohnten in einem kleinen Haus an einem waldigen Hügel, mit weiter Sicht über das argentinische Hochland. Die Fenster waren unvergittert, die Tür stand zum Garten offen. Sie hätte zu dir zurückkehren können, aber sie spürte, dass sie mit dir untergehen würde. Ja, sie war exzentrisch und trieb es zu weit mit ihren Allüren, aber

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