Wildnis
kam Newman hinterher. Fünf Meter Abstand. Karl stolperte, verschwand unter Wasser, kam keuchend wieder hoch, und dann war Newman bei ihm. Als Karls Kopf über der Wasserfläche erschien, drückte Newman ihm den kleinen silbrigen Revolver an die Stirn. Karl sah sein Gesicht, die aufgerissenen Augen, den geöffneten Mund, die geblähten Nüstern. Newman holte tief Luft, seine Brust hob und senkte sich heftig. Er hatte Striemen von Zweigen und Dornen im Gesicht und über der Brust. Er stand ganz still und drückte den Revolverlauf gegen Karls Nasenwurzel. Karl ließ sich zurückfallen und setzte sich auf den Boden. Das Wasser reichte ihm bis zur Brust. Wie betäubt sah er zu Newman auf und holte kurz und schnappend Atem. Sein Gesicht war zerkratzt, geprellt, zerstochen, bedeckt mit Spuren von Blut und Schweiß und Dreck, die der Sprung in den See nicht abgewaschen hatte. Das nasse Haar war dünn, man sah viel von der Kopfhaut darunter. Durch das rostfarbene Wasser schimmerte matt die nutzlos gewordene Automatik, die Karl noch immer in der rechten Hand hielt. Hoch über ihnen zog ein Fischadler seine immer enger werdenden Kreise, in großer Ruhe, als sei Zeit nicht von Belang, als höre die Gegenwart nie auf.
31
Es fiel kein Wort. Karl sah aus seinen tiefliegenden Augen ausdruckslos zu Newman auf. Er fröstelte. Newman spürte den stetigen Schlag seines Herzens, spürte, wie das Blut rasch durch seinen Körper strömte. Karl machte keinen Versuch, dem Druck des Revolvers auszuweichen. Er rührte sich überhaupt nicht. Auch Newman machte keine Bewegung. Der Fischadler zog suchend größere Kreise. Irgendwo in der hallenden Stille durchbrach ein Fisch die Wasseroberfläche, der Raubvogel machte eine rasche Drehung zur Seite und stieß nieder. Karl lehnte sich leicht zurück, zog die Füße an und richtete sich auf. Newmans Revolver war ihm gefolgt, der Lauf zeigte noch immer auf den Fleck zwischen Karls Augenbrauen. Karl trat einen Schritt zurück. Newman rührte sich nicht. Allmählich wich die Ausdruckslosigkeit aus Karls Gesicht. Er fröstelte noch immer, hielt noch immer die leere Automatik umklammert, die jetzt triefend über der Wasserfläche erschien. Sein Atem ging nicht mehr so mühsam, seine Augen waren blutunterlaufen und wässrig. Er machte einen Schritt nach rechts. Newman kam mit der Waffe nach. Karl machte noch einen Schritt. Newman und der Revolver folgten ihm. Karl lehnte sich vor. Newman winkelte den Ellbogen an und kam mit der Waffe ein Stück näher. Der Fischadler flog auf, einen Schwarzbarsch inden Fängen, legte sich in eine Kurve und verschwand in östlicher Richtung zwischen den Bäumen.
Karl schlug mit der leeren Automatik nach Newmans rechter Hand und traf. Beide Waffen, die geladene und die leere, glitten über die Wasserfläche und versanken. Newmans rechte Hand schmerzte dumpf. Karl torkelte auf ihn zu und versuchte, ihm mit dem Knie in die Leiste zu stoßen. Newman drehte sich rechtzeitig um, das Knie traf den Schenkel. Karl krallte Newman die linke Hand ins Gesicht und fuhr ihm mit der rechten an die Gurgel. Newman stieß einen würgenden Laut aus und taumelte zurück. Karl schlug noch einmal zu, Newman machte eine halbe Drehung und wich noch einen Schritt zurück. Karl sprang ihn an, landete auf seinem Rücken und schlang seine Arme um Newmans Hals. Der Aufprall zwang Newman in die Knie. Er zog das Kinn ein, um seine Kehle zu schützen. Karl drückte mit beiden Armen zu.
Newman spürte den wachsenden Druck im Kopf, vor seinen Augen waberte es rot. Mühsam richtete er sich auf, aber Karl ließ nicht los. Mit gespreizten Beinen, bis zu den Knien im Wasser, griff Newman nach einem von Karls Fingern und bog ihn nach hinten, bis der seinen Hals losließ. Er hob und senkte ruckartig die Schultern und ließ Karl ins Wasser fallen. Sein Herz hämmerte und das Blut dröhnte ihm im Kopf. Karl stand auf. Newman packte mit einer Hand seinenHals, dann seinen Kragen, und begann ihn nach hinten zu biegen. Karl war ein grobknochiger, kräftiger Mann, aber er war ausgepumpt und nicht in Form. Newman drückte ihn langsam zurück. Karl versuchte wieder, mit dem Knie in Newmans Leiste zu stoßen, aber er hatte keinen festen Halt und konnte sich nicht auf den Stoß konzentrieren, so dass keine Kraft dahinter steckte. Wieder erwischte es Newman am Schenkel. Er krampfte die rechte Hand um Karls Hals, spürte Knorpel und Gewebe unter seinen Fingern, drückte fester zu. Durch das jahrelange Stemmen von
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