Wildwood - Das Geheimnis unter dem Wald: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)
mit Veredelung«, erklärte sie, die Tomatenpflanze im Arm. »Das Ziel ist, eine krankheitsresistentere Pflanze zu züchten, die außerdem total köstliche Tomaten hervorbringt.«
Igitt , dachte Prue. Was für eine Angeberin . Im Herbst war Bethany ihre Partnerin in der Gruppenarbeit gewesen und hatte sich die größte Mühe gegeben, sich bei allen Experimenten in den Vordergrund zu drängen. Für die Laubcollage hatte sie die Lorbeeren ganz allein eingeheimst, obwohl Prue die ganzen ockerfarbenen Eichenblätter gesammelt hatte.
Miss Thennis nickte zu Bethanys Vortrag. »Astrein«, sagte sie. Prue kochte innerlich.
»Danke, Darla. Es freut mich berichten zu können, dass die Tomate sich wirklich gut entwickelt«, fuhr Bethany fort. »Und das aufgepfropfte Reis scheint angenommen zu werden. Früchte sind zwar noch keine zu vermelden, aber ich rechne damit, in ungefähr zwei Wochen ein paar hübsche Blüten zu sehen.«
»Sehr cool«, sagte Darla aufmunternd und forderte die Klasse auf, mit einzustimmen. Auf Geheiß der Lehrerin murmelten die Siebtklässler ein kollektives, aber hörbar lustloses Ooooh . Prue blieb still.
Sie horchte.
Die Tomatenpflanze stieß ein tiefes, wütendes Summen aus.
Prue sah sich um, ob außer ihr noch jemand das hörte. Aber alle Blicke waren teilnahmslos auf Bethany gerichtet.
Das Summen wurde lauter und stärker und schwankender. Allmählich wurde klar, dass es ein Brummen des Unwohlseins und der Frustration war.
Tut mir leid , dachte Prue, die Gedanken an die Pflanze gerichtet. Sie konnte das gut nachfühlen. Es war überhaupt nicht die richtige Jahreszeit für eine Tomate, trotzdem musste sie in einem Gewächshaus im Biologiesaal stehen. Und zu allem Überfluss den Trieb einer anderen Tomatenpflanze auf den Stiel aufgepfropft zu bekommen, unvorstellbar! Es war geradezu barbarisch.
Die Tomate seufzte.
Da hatte Prue eine Idee. Weißt du, was lustig wäre? , dachte sie.
Mmmpff , summte die Pflanze.
Prue erklärte, was sie im Sinn hatte.
Plötzlich riss Bethany den Kopf zurück und zog die Nase kraus. Die Schüler schnappten nach Luft. Den Bruchteil einer Sekunde hatte es tatsächlich so ausgesehen, als hätte das oberste Blatt der Tomatenpflanze Bethany auf die Nase geschlagen. Miss Thennis hatte offenbar nichts bemerkt, denn sie sah die Klasse streng an. »Also kommt schon, Kinder.«
Huch! Die Schüler keuchten erneut. Es war noch einmal passiert: Der oberste Zweig des grünen Pflänzchens hatte sich hochgereckt und dem Mädchen einen weiteren Klaps auf die Nase gegeben.
Verdutzter Schrecken breitete sich auf Bethanys Miene aus, und sie hielt die Pflanze auf Armeslänge von sich weg. Den Blicken ihrer Klasse folgend drehte sich eine sehr verwirrte Miss Thennis zu Bethany um, die sich rückwärts Richtung Gewächshaus schob.
»V-vielleicht braucht sie noch ein bisschen mehr Zeit«, stammelte Bethany kreidebleich. Vorsichtig stellte sie die Tomate in das Glashäuschen zurück und entfernte sich schrittweise. »Heute Morgen war sie noch völlig gesund.«
Das unglückliche Summen der Tomatenpflanze war inzwischen in ein leises, zufriedenes Pfeifen übergegangen.
Miss Thennis’ Blick schnellte zu Prue; entsetzt und ungläubig starrte sie sie an. Prue hingegen wandte sich lächelnd dem Fenster zu und betrachtete wieder den Schneeregen und die wachsenden Pfützen auf dem Bürgersteig.
Rektorat Lee Bream
George Middle School
15.2 . –
An Anne und Lincoln McKeel,
Eltern von Prue McKeel
Sehr geehrte Mrs. McKeel, sehr geehrter Mr. McKeel,
Ihre Tochter hat sich seit ihrem Wechsel auf unsere Schule im letzten Jahr als kluger und unabhängiger Kopf erwiesen. Sie gab allgemein Anlass zu großen Hoffnungen. Zu meinem Bedauern muss ich allerdings berichten, dass diese Aussichten sich in letzter Zeit getrübt haben.
Prues Noten haben stark nachgelassen, und ihr Verhalten in der Klasse wurde – durch die Bank – als höchst untypisch geschildert. Sie zeigt nur noch wenig von ihrem früheren Interesse an den Hausaufgaben und hat sich ihren Lehrern gegenüber ein ungebührliches Betragen angewöhnt. Die Überbringerin dieses Briefs, Miss Darla Thennis, hat sich freundlicherweise bereiterklärt, mit Ihnen über dieses Thema zu sprechen, und wir hoffen, dass ihre Bemühungen zu einer für alle Beteiligten zufriedenstellenden Lösung führen werden.
Selbstverständlich muss die Krise, die ihre Familie am Anfang des Schuljahres zu bewältigen hatte, das Verschwinden Ihres kleinen
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