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Wilhelm II

Wilhelm II

Titel: Wilhelm II Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clark Christopher
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weltgeschichtlichen Entwicklung, die die mittelalterlichen Grenzen
der Ausbreitung des Islam in Europa wieder zurückdränge. Überdies vertrat er die Auffassung, wenn man es den Staaten des Balkanbundes gestatte, sich auf Kosten der Türkei zu konsolidieren, so könnte das langfristig die Entstehung eines relativ stabilen Bundes politischer Einheiten auf dem Balkan ermöglichen: die »Vereinigten Staaten des Balkans«, wie er sie in einer weiteren Randnotiz nannte. Auf diese Weise könnte ein Staatswesen entstehen, das nicht nur imstande wäre, den Konflikt zwischen Österreich und Russland in der Region zu dämpfen, sondern auch einen starken, regionalen Markt für deutsche Exporte zu bieten. 12
    Das erklärt, weshalb Wilhelm anfangs so wenig Begeisterung für die österreichischen Proteste gegen serbische Bemühungen im Herbst 1912 zeigte, sich einen Zugang zur Adria zu verschaffen, indem sie Teile oder das ganze ehemals osmanische Albanien besetzten. »Ich sehe absolut keine Gefahr für Österreich‘s [sic!] Existenz oder gar Prestige in einem serbischen Hafen an der Adria«, schrieb er am 7. November an Kiderlen-Wächter. »Ich halte es für bedenklich, sich ohne Not dem Serbischen [sic!] Wunsche entgegenzustemmen.« Er hielt überdies eine gemeinsame Aktion gegen Serbien nach den deutschen Bündnisverpflichtungen weder für erforderlich noch für gerechtfertigt:
     
    Eine so weit gehende Verpflichtung entspricht nicht dem Geist des Dreibundes, der a limine den Bestand des wirklichen Besitzes zu gewährleisten bestimmt war. […] Gewiss ist manche Veränderung auf dem Balkan, die durch den Krieg bedingt wird, für Wien recht unbequem und auch unerwünscht, aber keine so entscheidend, dass wir uns ihretwegen der Gefahr einer Kriegerischen [sic!] Verwicklung aussetzen dürfen, das würde ich weder vor meinem Volk noch vor meinem Gewissen verantworten können. 1908 war es etwas ganz Anderes, als es sich dabei um einen wirklichen Bestandteil, der schon lange Österreich angegliedert war, handelte. 13
     
    Zwei Tage danach, am 9. November, unterstrich Wilhelm nochmals, dass er »wegen Albanien und Durazzo unter keinen Umständen gegen Paris und Moskau marschieren werde«. Das
Auswärtige Amt wurde angewiesen, den Österreichern vorzuschlagen, Albanien zu einem halb-unabhängigen Fürstentum unter einem serbischen Prinzen zu erklären. 14 Eine weitere Denkschrift vom 11. November führte aus, wie absurd die ganze Lage sei: »Es muss also Deutschland in einen Existenzkampf mit drei Großmächten eintreten, bei dem alles aufs Spiel gesetzt werden muss und eventuell es untergehen kann. Das erfolgt alles, weil Österreich die Serben nicht in Albanien oder Durazzo haben will.« Er fügte hinzu, dass der Dreibund den Österreichern keinen Anspruch auf ein »bedingungsloses Mitgehen in Reibungen über den Besitz anderer« verleihen würde. Deutschland sei verpflichtet, Österreich zu Hilfe zu kommen, wenn Letzteres von Russland angegriffen werde, aber nur unter der Bedingung, dass Österreich nicht selbst die Russen zum Angriff provoziert habe. Eine solche Provokation könne sich lediglich wegen der serbischen Frage ergeben, bemerkte Wilhelm, »und das muss Wien unbedingt vermeiden«. Falls Österreich also bereit wäre, den Serben Zugeständnisse zu machen, und die Russen dennoch Österreich weiter provozieren sollten, dann würde in ganz Europa der Verdacht aufkommen, dass die Russen die serbische Frage lediglich als Vorwand für eine aggressive, gegen das Habsburger Reich gerichtete Politik benutzten. Nur unter diesen Bedingungen wäre eine deutsche Mobilisierung zur Unterstützung Österreichs ratsam. 15
    Folglich ist es falsch zu behaupten, dass nach den Ereignissen Anfang Oktober 1912 »im Denken des Kaisers […] Mars die Stunde« regierte und dass er jetzt »die Initiative zur unmittelbaren Orientierung auf kriegerisches Vorgehen« ergriff. 16 Aber Wilhelm akzeptierte natürlich weiterhin, dass Deutschland verpflichtet war, Wien im Fall einer russischen Aggression gegen Österreich-Ungarn zu unterstützen. Ende November 1912 rückte dieser Fall allem Anschein nach immer näher. Heinrich Graf von Tschirschky, der deutsche Botschafter in Wien, unterstrich in einem Telegramm vom 21. November den großen Ernst der Lage: Der österreichische Kriegsminister General Moritz von
Auffenberg habe ihm mitgeteilt, dass die Habsburger Monarchie »sonst in Stücke gehen« werde, wenn Wien jetzt nicht »freie Hand gegen Serbien«

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