Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wilsberg 14 - Wilsberg und der tote Professor

Wilsberg 14 - Wilsberg und der tote Professor

Titel: Wilsberg 14 - Wilsberg und der tote Professor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juergen Kehrer
Vom Netzwerk:
Schultern. »Das entzieht sich meiner Kenntnis. Aber wozu sollte er? Natürlich hatte Günter eine Menge Tonaufnahmen. Du weißt ja, dass er sich mit Geheimsprachen beschäftigt hat.«
    »Das erklärt nicht das Mikrofon. Oder hat er selbst Interviews geführt?«
    »Nein. Er bekam Aufnahmen aus der ganzen Welt. Und falls er eigene Forschungen anstellte, hat er seine Studenten oder Assistenten damit beauftragt.«
    »Mal angenommen, er hat die Gespräche mit Weichert ...«
    »Dann musst du da suchen!« Marie wies auf einen überdimensionierten Kassettenständer, in dem sich schätzungsweise fünfhundert Kassetten befanden. »Viel Spaß! Damit dürften deine nächsten Wochen ausgefüllt sein.«
    »Ein Professor wird seine Aufnahmen doch wohl ordentlich beschriften«, widersprach ich.
    »Ich schau mal nach den Kindern«, sagte sie. »Lass dir Zeit!«
    Auf den Etiketten standen Abkürzungen und das jeweilige Datum. Vermutlich gab es auch irgendwo einen Katalog, schriftlich oder als Computerdatei. Aber bis ich den gefunden hatte, konnte ich genauso gut die Etiketten durchsehen. Ich versuchte die Abkürzungen zu verstehen und war nach einiger Zeit sicher, dass es eine Systematik gab, nach Ländern und chronologisch. Die Überlegungen erübrigten sich, als ich feststellte, dass etliche Kassetten umgestellt worden waren. Offenbar hatte jemand eine Lücke kaschieren wollen. Anhand der Staubränder auf dem Zwischenbrett entdeckte ich die Reihe, in der einige Kassetten fehlten. Ich räumte die Reihe aus, da sich nach meiner Erfahrung Kassetten manchmal selbstständig machten und hinter ihren Artgenossen versteckten. In diesem Fall war das nicht so. Damit hatte ich nur noch eine Chance. Ich rückte den ganzen Ständer von der Wand. Und tatsächlich – hochkant auf der Fußbodenleiste lag eine Kassette. Ich hob sie auf. Auf dem Etikett stand: S. W. 30. 5.
    »Ich habe noch einmal darüber nachgedacht. Mir ist nicht wohl dabei. Ich möchte damit aufhören.« – »Sven, es geht hier um die Wissenschaft. Um etwas wirklich Neues, das wir zusammen schaffen können. Ein Buch über die Tourette-Sprache nicht unter psychologischen, sondern unter semantischen Aspekten. Die Psychiater haben keine Ahnung von der Sprache. Wir untersuchen, welche Begriffe und Situationen zu Wortdrehern, Wortschöpfungen und Lautmalereien führen. Das wird ein wegweisendes Werk. Zeitungen und Zeitschriften werden über uns berichten. Man wird uns zu Talkshows einladen.« – »Als was soll ich auftreten? Als Monster? Wie der Elefantenmensch oder die Frau ohne Unterleib ... bleib ... Weib ... Hören Sie, Herr Professor, ich fühle mich wie ein Versuchskaninchen ... fickende Karnickel ...« – »Sven, Sie wissen, wie viel Sie mir zu verdanken haben?« – »Ja, das weiß ich ... Scheiß drauf ...« – »Das finde ich jetzt nicht besonders dankbar.« – »Und Sie wissen genau, dass ich das nicht kontrollieren kann.« – »Gerade das ist ja das Interessante an der Tourette-Sprache. Möchten Sie mit meiner Frau schlafen, Sven?« – »Ich ... Ahaaaahaaaa ...«
    »Schalt das ab!«, sagte Marie.
    Ich schaltete den Rekorder ab und schaute sie an. Ihr standen Tränen in den Augen.
    »Offensichtlich hast du dich getäuscht«, sagte ich leise. »Günter Kaiser war in keiner Hinsicht uneigennützig.«
    »Dieses Arschloch!«
    »Hattest du was mit Sven Weichert?«, fragte ich.
    Sie schüttelte den Kopf. »Nein. Er stand auf mich, das habe ich gemerkt. Ich habe ein bisschen mit ihm geflirtet, wenn wir uns auf irgendwelchen langweiligen Feiern getroffen haben. Aber mehr war da nicht.« Sie wischte sich über die Augen. »Was wirst du jetzt tun?«
    »Mit Weichert reden.«

XV
    Sven Weichert war in seinem Zimmer im Institut. Er ließ das gebundene Manuskript, in dem er gelesen hatte, sinken und musterte mich mit einem widerwilligen Blick seiner strahlend blauen Augen.
    »Sie sind ja mindestens so hartnäckig wie Columbo, Wilsberg.«
    »Er ist mein Vorbild.« Ich setzte mich. »Besonders gut gefällt mir der Trick mit der Zigarre. Wie er mit der kalten Zigarre herumfuchtelt und so tut, als würde er sie im nächsten Moment anzünden. Das macht die Leute nervös.«
    »Sie müssen mich nicht nervös machen, Wilsberg. Das bin ich von ganz allein. Sozusagen genetisch ... Fetisch ... Fick dich! ...« Er zuckte. »Entschuldigen Sie!« Sein Gesichtsausdruck stand in krassem Widerspruch zu seinen Worten.
    »Keine Ursache.« Ich hielt seinem Blick stand. »Was waren das für Bücher,

Weitere Kostenlose Bücher