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Wimsey 04 - Der Mann mit dem Kuperfingern

Wimsey 04 - Der Mann mit dem Kuperfingern

Titel: Wimsey 04 - Der Mann mit dem Kuperfingern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy L. Sayers
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mit so einem Blick, als hätte er einen im Verdacht, persönlich etwas damit zu tun zu haben. Ich habe schon Frauen gekannt, die das taten, und ich habe Männer so etwas mit Frauen machen und die Frauen sich winden sehen, aber er war der einzige Mann, der mir je dieses Gefühl gegeben hat. Abgesehen davon war Loder jedoch der faszinierendste Mensch, den ich je kennengelernt habe. Und wie gesagt, sein Haus war auf jeden Fall schön, und er pflegte eine erstklassige Tafel.
    Er liebte es, alles vom Besten zu haben. Da war zum Beispiel seine Mätresse, Maria Morano. Ich glaube nicht, daß ich je eine Frau gesehen habe, die an sie herankam, und wenn man beim Film ist, stellt man naturgemäß hohe Ansprüche an weibliche Schönheit. Sie war eine große Frau mit solch zögernden, schönen Bewegungen, sehr sanft und mit einem trägen, offenen Lächeln. Bei uns in den Staaten wächst so etwas nicht. Sie kam aus dem Süden – eine Kabarettänzerin, sagte er, und sie widersprach ihm nicht. Er war sehr stolz auf sie, und sie schien ihm auf ihre Art sehr ergeben zu sein. Er pflegte sie in seinem Atelier vorzuführen, nur mit einem Feigenblatt bekleidet oder so – stellte sie neben eine der Plastiken, die er immer wieder von ihr machte, und verglich sie Punkt für Punkt damit. Es gab an ihr buchstäblich nur einen halben Zoll, der aus der Sicht des Bildhauers nicht absolut vollkommen war – die zweite Zehe an ihrem linken Fuß war kürzer als die große Zehe. Natürlich korrigierte er das an den Statuen immer. Sie hörte sich das alles mit gutmütigem Lächeln an – wohl irgendwie geschmeichelt, obschon ich glaube, das arme Mädchen war es manchmal leid, immerzu so angeglotzt zu werden. Manchmal kam sie zu mir und vertraute mir an, ihr eigentlicher Traum sei es immer gewesen, einmal ein eigenes Restaurant zu führen, mit Kabarett und ganz vielen Köchen mit weißen Schürzen und allen möglichen blitzenden elektrischen Kochgeräten. ‹Und dann würde ich heiraten›, sagte sie, ‹und vier Söhne und eine Tochter haben.› Und dann zählte sie mir die Namen auf, die sie sich schon für ihre Familie ausgesucht hatte. Ich fand das ziemlich rührend. Nach einem solchen Gespräch kam Loder einmal dazu. Er hatte so ein Grinsen im Gesicht, daß ich behaupten möchte, er hatte gelauscht. Ich glaube nicht, daß er das besonders ernst genommen hat, was aber nur zeigt, daß er sie nie so ganz richtig verstanden hat. Ich glaube, er hätte sich gar nicht vorstellen können, daß irgendeine Frau das Leben, an das er sie gewöhnt hatte, aufzugeben bereit sein könnte, und wenn er in seiner Art auch ein wenig herrschsüchtig war, hat er ihr doch wenigstens nie eine Rivalin vorgesetzt. Trotz seines ganzen Geredes und seiner häßlichen Statuen hatte sie ihn fest in der Hand, und das wußte sie auch.
    Ich blieb schließlich fast einen ganzen Monat da, und es war eine herrliche Zeit. Zweimal bekam Loder so einen Kunstrappel; da schloß er sich zum Arbeiten in sein Atelier ein und ließ mehrere Tage hintereinander niemanden zu sich. Solche Auftritte liebte er, und wenn es dann überstanden war, machten wir eine Party, zu der alle seine Freunde und Verehrer kamen, um das Kunstwerk zu betrachten. Er arbeitete am Standbild irgendeiner Nymphe oder Göttin, glaube ich, die er in Silber gießen wollte, und Maria pflegte ihm dafür Modell zu sitzen. Abgesehen von diesen Perioden zog er viel herum, und wir bekamen alles zu sehen, was es so zu sehen gab.
    Ich muß zugeben, daß ich recht verstimmt war, als das zu Ende ging. Amerika erklärte den Krieg, und ich hatte mich schon vorher entschlossen, einzurücken, wenn es dazu käme. Mit meinem Herzen kam ich für die Front ja nicht in Frage, aber ich rechnete damit, schon irgendeine Aufgabe zu bekommen, wenn ich nur hartnäckig bliebe, also packte ich meine Sachen und machte mich auf den Weg.
    Ich hätte nicht geglaubt, daß es Loder so aufrichtig nahegehen würde, von mir Abschied zu nehmen. Ein ums andere Mal sagte er, wir würden uns bald wiedersehen. Ich bekam dann aber doch eine Stelle bei der Sanitätstruppe und wurde nach Europa verlegt, und so dauerte es bis 1920, bis ich Loder wiedersah.
    Er hatte mir zuvor schon geschrieben, aber ich hatte 1919 zwei große Filme zu drehen, und es ging nicht. Aber 1920 fand ich mich dann in New York wieder, wo ich für Ein Hauch von Leidenschaft Reklame machte, und da bekam ich ein Briefchen von Loder, in dem er mich zu sich einlud und mich bat, ihm Modell zu

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