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Wimsey 04 - Der Mann mit dem Kuperfingern

Wimsey 04 - Der Mann mit dem Kuperfingern

Titel: Wimsey 04 - Der Mann mit dem Kuperfingern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy L. Sayers
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Diese Art von ihm, einen persönlich anzusprechen, trat von Tag zu Tag deutlicher hervor, und manchmal, wenn ich ihm Modell stand, saß er da und sagte einem die niederträchtigsten Sachen, wobei er einen auf die übelste Weise fixierte, nur um zu sehen, wie man es aufnahm. Auf mein Wort, obwohl er mich über die Maßen verwöhnte, bekam ich langsam das Gefühl, daß mir unter den Buschmännern wohler sein würde.
    So, und nun komme ich zu dem komischen Vorfall.» Alle setzten sich auf und spitzten die Ohren.
    «Es war an dem Abend, bevor ich New York verlassen sollte», sagte Varden. «Ich saß –»
    An dieser Stelle öffnete jemand die Tür zum Braunen Zimmer und wurde von Bayes mit einer warnenden Geste begrüßt. Der Eindringling ließ sich unauffällig in einen großen Sessel sinken und mixte sich behutsam, um den Erzähler nur ja nicht zu stören, einen Whisky.
    «Ich saß im Rauchsalon», fuhr Varden fort, «und wartete auf Loder. Ich hatte das Haus ganz für mich allein, denn Loder hatte den Dienstboten frei gegeben, damit sie in irgendeinen Film oder Vortrag gehen konnten, und er selbst mußte seine Vorbereitungen für die Europareise treffen und war mit seinem Agenten verabredet. Ich mußte irgendwie eingedöst sein, denn es dämmerte schon, als ich plötzlich hochschreckte und einen jungen Mann unmittelbar vor mir sah.
    Er sah überhaupt nicht aus wie ein Einbrecher und schon gar nicht wie ein Gespenst. Fast möchte ich sagen, er sah ungewöhnlich gewöhnlich aus. Er trug einen grauen englischen Anzug, einen rehbraunen Mantel über dem Arm, einen Filzhut und einen Stock in der Hand. Er hatte glattes, helles Haar und so eins von diesen ziemlich einfältigen Gesichtern mit langer Nase und einem Monokel. Ich konnte ihn nur groß ansehen, denn ich wußte, daß die Haustür verschlossen war, aber bevor ich mich noch von meinem Schrecken erholt hatte, sprach er schon. Er hatte eine eigenartige, unaufdringliche, etwas heisere Stimme und einen starken englischen Akzent. Zu meiner Überraschung fragte er:
    ‹Sind Sie Mr. Varden?›
‹Sie sind mir voraus›, antwortete ich.
Er sagte: ‹Entschuldigen Sie, daß ich hier so hereinplatze. Ich weiß, das sieht sehr nach schlechten Manieren aus, aber Sie täten gut daran, so schnell wie möglich aus diesem Haus zu verschwinden.›
    ‹Zum Teufel, was meinen Sie damit?› fragte ich.
‹Ich meine das in keiner Weise unverschämt› antwortete er, ‹aber Sie müssen wissen, daß Loder Ihnen nie verziehen hat, und nun fürchte ich, daß er Sie zu einem Hutständer oder einer Stehlampe oder sonstwas verarbeiten will.›
Mein Gott! Ich kann Ihnen sagen, mir war ganz komisch. Er sprach mit so ruhiger Stimme, und seine Manieren waren tadellos, aber was er da von sich gab, hatte weder Hand noch Fuß. Mir schoß durch den Kopf, daß Verrückte doch angeblich ganz besonders kräftig sein sollen, und ich bewegte mich unauffällig auf die Klingel zu – bis mir siedendheiß einfiel, daß ich ja allein im Haus war.
‹Wie kommen Sie hier herein?› fragte ich mit dem Mut der Verzweiflung.
‹Mit einem Dietrich, wie ich leider gestehen muß›, sagte er so gelassen, als entschuldigte er sich nur dafür, daß er keine Visitenkarte bei sich habe. ‹Ich konnte mich nicht darauf verlassen, daß Loder nicht inzwischen wiedergekommen ist. Aber ich finde wirklich, Sie sollten hier so schnell wie möglich verschwinden.›
‹Hören Sie mal›, sagte ich, ‹wer sind Sie eigentlich, und worauf wollen Sie in drei Teufels Namen hinaus? Was soll das heißen, daß Loder mir nie verziehen hat? Was verziehen?›
‹Nun›, sagte er, ‹die Sache – Sie müssen schon entschuldigen, wenn ich mich hier scheinbar in Ihre Privatangelegenheiten mische –, also, die Sache mit Maria Morano.›
‹Zum Kuckuck, was für eine Sache?› rief ich. ‹Was wissen Sie überhaupt von ihr? Sie ist hier weggegangen, während ich im Krieg war. Was hat das mit mir zu tun?›
‹Oh!› sagte der merkwürdige junge Mann. ‹Ich bitte vielmals um Verzeihung. Vielleicht habe ich mich da zu sehr auf Loders Urteil verlassen. Wie dumm von mir. Aber die Möglichkeit, daß er im Irrtum sein könnte, ist mir gar nicht in den Sinn gekommen. Er bildet sich ein, Sie seien Maria Moranos Liebhaber gewesen, als Sie das letzte Mal hier waren.›
‹Marias Liebhaber?› rief ich. ‹Lächerlich! Sie ist mit ihrem Freund abgehauen, wer das auch sein mag. Loder muß doch wissen, daß sie nicht mit mir fortgegangen ist.›
‹Maria

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