Windkämpfer
hoffe ich«, sagte Ramachni.
Er schlug seine Zähne in das Leder und hatte es mit vier Bissen durchgekaut. Inzwischen schob Hercól ein Fenster hoch. Der Vogel sprang sofort auf das Fenstersims. Er beugte sich vor, spreizte die Flügel …
… und wich zurück. Seine scharfen Augen huschten verblüfft von einem zum anderen.
»Ihr lasst mich frei! Warum?«
»Weil wir niemanden versklaven«, sagte Ramachni. »Und du solltest darüber nachdenken, worin die Sklaverei besteht, an die du gewöhnt bist. Diese Bande kannst nur du zerreißen.«
Der Vogel hüpfte auf dem Sims hin und her und beobachtete Ramachni mit einem Auge. »Du bist ein Magier«, sagte er endlich, »aber du bist nicht allzu klug.«
Mit diesen Worten sprang er aus dem Fenster, stieß noch einen Schrei aus und war verschwunden.
»Ein Kind«, sagte Ramachni traurig. »Ich wette, er war schon lange vor seinem Erwachen Otts Geschöpf und hat die Überzeugungen des Meisters der Spione von der ersten Stunde an verinnerlicht. Das Erwachen ist ein erschreckender Vorgang, nicht alle überleben es mit heilem Verstand. Manche brauchen einen Gott, ein Anliegen oder einen Feind, irgendetwas, woran sie sich halten können, denn vor allem anderen fürchten sie den großen Abgrund des freien Willens.«
»Ramachni«, sagte Hercól. »Deine Zeit hier ist abgelaufen.«
»Beinahe«, nickte der Nerz müde.
»Abgelaufen?«, rief Neeps. »Was redet ihr da? Du kannst nicht einfach fortgehen! Wir brauchen dich hier!«
»Wenn ich nicht gehe, solange ich noch die Kraft dazu habe, Mr. Undrabust, werde ich euch auch verlassen – nur werde ich dann wie eine ausgebrannte Kerze erlöschen.«
»Aber das ist eine Katastrophe! Arunis ist noch nicht geschlagen, Ott treibt sich immer noch irgendwo da draußen herum, und Tascha soll morgen verheiratet werden! Und der arme Pazel – wenn er das falsche Wort zur falschen Zeit sagt – was dann? Am Ende schießt er Simja auf den Mond!«
»Wann kommst du wieder, Ramachni?«, fragte Pazel.
»Noch sehr lange nicht.«
Die Antwort hing über dem Raum wie eine Regenwolke. Endlich brach Neeps das Schweigen.
»Das ist der Untergang.«
»Undrabust!«, schalt Eberzam Isiq. »Bei der Marine dürften Sie mit diesem Wort nicht um sich werfen, ohne ausgepeitscht zu werden! Was haben Sie da eigentlich am Handgelenk?«
Neeps senkte erschrocken den Blick, dann streckte er den Arm aus. Sein Handgelenk zierte eine kleine rote Narbe. »Wenn man genau hinsieht, ist das wirklich seltsam«, sagte er. »Ein Stück Eisen vom Roten Wolf hat mich getroffen, das noch so heiß war wie Höllenfeuer. Aber es ist kein gewöhnliches Brandmal. Es hat die Form eines Wolfs.«
Tatsächlich – die tiefe Narbe sah genauso aus wie ein voll ausgebildeter Wolf.
»Es ist noch sehr viel seltsamer, als ihr denkt«, sagte Hercól und hob einen Zipfel seines Hemds an. Gleich unter seinem Brustkorb hatte sich der schwarze Umriss eines Wolfs in die Haut eingebrannt. »Sie sind identisch, seht ihr, er hebt sogar eine Pfote, genau wie der echte Rote Wolf.«
»Noch jemand?«, fragte Neeps. »Sag bloß – du?«
Pazel streckte die rechte Hand aus; die anderen drängten sich um ihn. Das Brandmal auf seiner Handfläche war tiefer als bei den beiden anderen. An den Rändern hatten sich Blasen gebildet, und es blutete ein wenig. »Es ist tatsächlich ein Wolf«, sagte er. »Und obendrein hart wie Leder. Ramachni, weißt du, was das bedeutet?«
»Es bedeutet, dass ihr unter einem Zauber steht«, sagte der Magier. »Aber ich glaube, es ist kein böser Zauber.«
»Na großartig«, stöhnte Pazel. Dann wandte er sich Tascha zu und sah die Niedergeschlagenheit in ihrem Gesicht. »Du hast dich nicht an dem Eisen verbrannt?«
Sie schüttelte den Kopf. »Ich blieb erfreulicherweise verschont.«
Aber ihre Stimme klang ganz und gar nicht erfreut, und Pazel glaubte auch zu wissen, warum. Sie war ausgeschlossen, und alle wussten es. Ausgeschlossen von etwas Wichtigem, das ihn, Neeps und Hercól nun für immer miteinander verbinden würde.
»Nun ja«, sagte sie und rang sich ein Lächeln ab, »zumindest das wird mir bleiben.«
Sie hob die Hand, die sie sich vor Jahren mit dem Rosenzweig zerstochen hatte. Sofort traten alle anderen zu ihr und sahen sich mit großen Augen die Narbe an. Endlich drehte Tascha die Handfläche zu sich und betrachtete sie selbst.
Die Narbe hatte sich verwandelt. Der Handrücken, wo sie sich verletzt hatte, sah noch aus wie zuvor. Aber das Mal auf ihrem
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