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Winslow, Don

Winslow, Don

Titel: Winslow, Don Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tage der Toten
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Mexikaner«, sagte Raúl. Das höchste Lob.
    Eher wie ein halber Mexikaner, dachte er, aber er behielt es für sich. Und
er wusste, was Raúl meinte. Hier galt dasselbe wie im Barrio
Logan: Einstecken zählt mehr als Austeilen.
    Und heute hab ich reichlich eingesteckt, dachte Keller. Jetzt will ich nur
eins: Zurück ins Hotel, heiß und lange duschen und die Nacht mit einem
Eisbeutel verbringen.
    Okay, mit mehreren Eisbeuteln.
    »Wir gehen noch auf ein Bier«, sagte Adán. »Kommst du
mit?«
    Und ob, dachte Keller. Klar, mach ich gern. Also verbrachte er die Nacht
im cafetín und trank Bier
mit Adán.
    Jahre später hätte er alles drum gegeben, Adán Barrera auf der Stelle
zu erschießen.
     
    Am nächsten Morgen rief ihn Tim Taylor ins Büro.
    Keller sah beschissen aus, und genauso fühlte er sich. Sein Kopf dröhnte
vom Bier und dem Kraut, das er irgendwann geraucht hatte, nachdem er mit Adán in einer Art
Nachtclub gelandet war. Seine Augen hatten schwarze Schatten, unter seiner
Nase klebte noch getrocknetes Blut. Geduscht hatte er zwar, aber das Rasieren
war ausgefallen - erstens aus Zeitmangel, zweitens, weil sein geschwollenes
Kinn jeden Gedanken daran zunichte machte. Und obwohl er sich äußerst behutsam
auf dem Stuhl niederließ, reagierten seine zerschlagenen Rippen auf diese Zumutung
mit brüllendem Schmerz.
    Taylor musterte ihn mit unverhohlenem Abscheu. »Das muss ja eine tolle
Nacht gewesen sein.«
    Keller lächelte einfältig. Selbst das tat weh. »Sie wissen wohl schon
Bescheid.«
    »Wollen Sie wissen, woher?«, sagte Taylor. »Ich hatte heute Morgen eine
Besprechung mit Miguel Barrera. Wissen Sie, wer das ist, Keller? Der ist hier bei
der Polizei, die rechte Hand des Gouverneurs, einfach der Mann in dieser Gegend. Wir versuchen seit zwei Jahren, ihn zur Mitarbeit
zu bewegen. Und nun muss ich von ihm hören, dass sich einer meiner Leute mit
Einheimischen prügelt -«
    »Das war ein Sparring-Match.«
    »Was immer«, sagte Taylor. »Schauen Sie: Diese Leute sind nicht unsere Freunde
oder unsere Saufbrüder. Die sind für uns Zielpersonen, und -«
    »Vielleicht liegt da das Problem«, hörte sich Keller sagen. Mit einer
irgendwie von ferne kommenden Stimme, über die er keine Macht hatte. Er hatte
sich vorgenommen, die Klappe zu halten, aber dafür war er einfach zu fertig.
    »Von welchem Problem reden Sie?«
    Scheiß drauf, dachte Keller. Jetzt ist es zu spät. Also ließ er es raus.
»Dass wir >diese Leute< als >Zielpersonen< betrachten.«
    Überhaupt machte ihn das wütend. Menschen als Zielscheiben? Das kennen
wir, das hatten wir schon. Außerdem habe ich in der letzten Nacht mehr gelernt
als in den letzten drei Monaten.
    »Hören Sie, Sie sind hier nicht als Geheimagent eingesetzt«, sagte Taylor.
»Arbeiten Sie gefälligst mit den örtlichen Justizbehörden zusammen!«
    »Geht leider nicht, Tim. Bis jetzt haben Sie alles getan, um mich von
denen fernzuhalten.«
    »Ich lasse Sie versetzen«, sagte Taylor. »Ich will Sie nicht mehr in
meinem Team.«
    »Dann machen Sie sich schon mal an den Papierkram«, sagte Keller. Er hatte
die ganze Scheiße satt.
    »Keine Sorge, das werde ich«, sagte Taylor. »Und in der Zwischenzeit,
Keller, verhalten Sie sich professionell. Geben Sie sich wenigstens Mühe.«
    Keller nickte und stand auf.
    Ganz vorsichtig.
     
    Statt vorm Damoklesschwert der Bürokratie zu zittern, kann ich ebenso gut
weitermachen, dachte sich Keller.
    Wie ging die Redensart gleich? Sie können dich umbringen, aber sie können
dich nicht fressen. Was nicht stimmt, sie können beides. Doch das heißt nicht,
dass du's ihnen leichtmachen musst. Der Gedanke, im Tross eines Senators
arbeiten zu müssen, machte ihn krank. Nicht so sehr wegen der Arbeit, sondern
wegen des Umstands, dass er diesen Job dann Althies Vater zu verdanken hatte.
Und mit Vaterfiguren hatte er seine Probleme.
    Was ihn antrieb, war der Gedanke des Scheiterns.
    Man lässt sich nicht k. o. schlagen, man zwingt sie dazu, einen k. o. zu schlagen. Sie sollen sich die Pfoten dabei
brechen, und immer, wenn sie ihre Visage im Spiegel sehen, sollen sie an dich
denken.
    Er ging geradewegs zur Turnhalle.
    »Das war ja eine wüste Nacht!«, begrüßte er Adán. »Mir brummt der
Kopf.«
    »Wir haben uns prächtig amüsiert.«
    Wohl wahr,
dachte Keller. »Wie geht's dem kleinen Löwen?«
    »Cesar? Besser
als dir«, sagte Adán. »Und mir.«
    »Wo ist Raul?«
    »Wahrscheinlich vögelt er gerade, der alte Bock«, sagte Adán. »Willst du

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