Winter - Erbe der Finsternis (German Edition)
im Manaros.«
Dann steckte er das Handy wieder ein.
Wenige Minuten später verließen Griffith und Morwenna das Haus.
I n der Mansarde starrten Gareth und Eleri auf den Nachspann eines der langweiligsten Filme, den sie je gesehen hatten. Zwischen ihnen lag Winter und döste, und keiner von beiden wollte aufstehen, um der Qual ein Ende zu bereiten. Es war eine Art Wettstreit: Wer zuerst aufsteht, hat verloren.
Sie hatten Winter den ganzen Abend Gesellschaft geleistet, um ihr nahe zu sein.
Es war schön zu sehen, dass ihre Gesichtszüge sich wenigstens im Schlaf etwas entspannten.
Der Soundtrack klang aus, dann wurde der Bildschirm schwarz. Die Geschwister wechselten einen Blick und fragten sich, ob sie den Wettstreit damit als abgeschlossen betrachten durften.
Sie blieben sitzen, und Stille senkte sich über den Raum.
Winter schlief traumlos.
Kein Bild, kein Ton, nicht einmal ein Gedanke. Es war angenehm, erholsam.
Doch dann riss ein Tumult an den Grenzen ihres Bewusstseins sie aus dem ruhigen Dämmerzustand und schleuderte sie weit weg.
Ihre Augen hinter den geschlossenen Lidern begannen unruhig hin und her zu zucken, ihre Muskeln verkrampften sich.
Auf unerklärliche Weise erfassten ihre Sinne die Vibrationen der Nacht.
Winter sah Schatten, nahm Gerüche war und fragte sich aufgeregt, wie es geschehen konnte, dass sie sich auf einmal da draußen befand.
Sie fühlte ihren Körper losschnellen, spurtschnell dahinrasen, leicht und energiegeladen. Ihre Wahrnehmungen waren gleichsam verstärkt, lebendiger denn je.
Cameron Farland war an ihrer Seite. Ein grausames Wesen begann in ihrem Innern, seine Windungen schlangenartig aufzurollen, es hungerte nach Gewalt und Blut.
Winter wusste nicht, was geschah. Doch es war kein Traum.
Sie schrie, und Eleri und Gareth sprangen gleichzeitig auf.
»Winter … Winter …«
Ihr Gesicht war zu einer angsterfüllten Fratze verzerrt. Eleri schüttelte sie leicht, um sie aus dem Albtraum aufzuwecken.
Immer wieder rief sie ihren Namen, bis Winter die Augen aufschlug. Ihre Stirn war schweißbedeckt.
Winter klammerte sich an Eleris Stimme, krallte sich mit kalten Fingern an Gareths Hand wie an einen Rettungsring, der sie vor dem Ertrinken bewahrte.
Während die Geräusche, die sie vernahm, langsam wieder einen Sinn bekamen, wirbelten vor ihren Augen noch immer die düsteren und verschwommenen Bilder der Nacht durcheinander, als ob ein unsichtbarer Faden versuchte, sie zurückzuholen.
Die Mansarde und die Schatten des Waldes überlagerten sich bei jedem Wimpernschlag, ihr war schwindlig, wirre und strudelartige Bildfetzen wechselten einander ab, im Rhythmus ihres Herzschlags.
»Alles in Ordnung?«, fragte Gareth besorgt.
Die Frage entriss ihr ein Lachen.
Sie kam sich vor, als wäre sie gleichzeitig in der Mansarde und draußen im kalten Wind.
Nichts war in Ordnung!
Winter atmete tief ein. Was geschah mit ihr? Sie trug den Anhänger, es konnte ihr also eigentlich nichts Merkwürdiges passieren.
Sie fühlte sich wie gespalten und hatte Angst vor dem gierigen Geschöpf, das an einem der beiden Orte, an denen sie sich befand, auf sie wartete.
Es war stark, gnadenlos … unmenschlich …
Sie fuhr sich mit der Hand über das Gesicht. Die Haare klebten ihr an der Stirn.
Sie schnaubte ungeduldig und strich sie sich hinter die Ohren. Ihre Finger fuhren den Hals entlang, berührten das Halstuch, das ihn bedeckte und den inzwischen fast unsichtbar gewordenen Biss verbarg.
Rhys!,
verstand sie endlich. Sie teilte seine Empfindungen …
Wo bist du?
, fragte sie ihn in ihrem Geist.
Seitdem sie ihm ihr Blut zu trinken gegeben hatte, hatte er sie nie verlassen. Das Bewusstsein seiner Existenz, einer unauflösbar gewordenen Bindung, hatte immer wieder von Neuem Salz in ihre Wunde gestreut.
Die Bestie seufzte wohlig. Und da sie ein Teil von Rhys war, liebte sie in einem gewissen Sinn auch Winter.
Eleri streichelte immer noch Winters Gesicht und wartete geduldig, bis es wieder etwas Farbe bekam.
Was zum Teufel geschieht hier?
, fragte sie sich nervös.
Jeder Widerstand war zwecklos.
Winter gab den Kampf auf, legte ihren Anhänger ab und glitt in Rhys’ Geist.
Das UNTIER stieß ein dumpfes, drohendes Knurren aus.
Was tust du?,
fragte sie verängstigt.
Geh weg. Ich will nicht, dass du siehst …
Die Angst des Mädchens war eine Qual für beide.
Warum fühle ich, was du empfindest?
Rhys seufzte.
Es ist die Blutgabe. Verzeih mir … Ich werde dich nie freigeben
Weitere Kostenlose Bücher