Winter
zurückgelehnt, beinahe flach auf dem Rücken liegend, durch Wald und an schönen weiten Ausblicken vorbei, das Auge bald auf den Weg gerichtet, bald im hohen reinen Himmel ruhend, während feine, vom Schlitten aufgerissene Schneestaubwolken mir kalt und prickelnd übers Gesicht stoben. Unterwegs holte ich einen Bobsleigh, einen langen Sportschlitten mit fünfFahrern, ein. Er hatte umgeworfen und war völlig zerbrochen, und die fünf Fahrer standen dabei, rieben sich schmerzende Glieder und wären in der Eile beinahe von mir nochmals umgerannt worden.
Den Weg, den man in etwa anderthalb Stunden bergauf gestiegen ist, legt man rückwärts auf dem Schlitten in knapp zehn Minuten zurück. Im Dahinfahren durch den weißen Bergwinter, tausend Meter über dem gewohnten Leben, vergißt man alles, was des Vergessens wert ist, und reitet sausend talab, aus dem Gipfelglanz und der Sonnenwärme der Höhe in die strenge Kühle des totenstillen Bergtales hinunter. Der Geist der Berge geht mit, der große Tröster –
Und manchesmal, wenn ich im Herzen litt,
Ging er auf Gletscherwegen leise mit
Und legte gütig seine kühle Hand
Auf meine Stirne, bis ich Frieden fand.
(Aus: »Wintertage in Graubünden«, 1906)
/ HOCHGEBIRGSWINTER/
I
Aufstieg Und ringsum Schnee und Gletschereis
Und steile Berge Wand an Wand,
Dahinter traumhaft weit und weiß
Das tief verschneite oberland.
Und langsam setz ich Schuh um Schuh
Auf Fels und schneeverwehten Grund
Und wandere den Gletschern zu,
Die kurze Pfeife schräg im Mund.
Vielleicht daß dort, fern aller Welt
Im blauen Licht von Eis und Mond
Der süße Friede, der mir fehlt,
Und Schlummer und Vergessen wohnt.
II
Berggeist Ein starker Geist hält seine weiße Hand
Weit über seine Berge ausgespannt.
Groß ist das Leuchten seines Angesichts,
Ich aber fürcht ihn nicht: er tut mir nichts.
In schwarzen Schlüften hab ich ihn gespürt,
Auf hohen Gipfeln sein Gewand berührt.
Ich hab ihn oft aus leisem Schlaf geweckt
Und zwischen Tod und Leben frech geneckt.
Und stundenlang, wenn ich im Herzen litt,
Ging er auf Gletscherwegen leise mit
Und legte gütig seine kühle Hand
Auf meine Stirne, bis ich Frieden fand.
III
Grindelwald Schon manche selige Nacht hat über mir geblaut,
Doch so wie heut hab ich die Sterne nie geschaut.
Die Berge stehen steil mit schroffer Stirn,
Ein leises Leuchten geht von Firn zu Firn.
Darüber ausgespannt träumt wunderbar
Der nahe Himmel rein und sternenklar.
Mit mächtigen Lichtern, schweigsam, reich und mild
Reiht sich in seligem Reigen Bild an Bild.
Ein großer Friede wacht ob ihrem Kranz
Und füllt die Seele mir mit kühlem Glanz.
So daß vom Leben, das weitabwärts treibt,
Mir nur ein halbvergessenes Gestern bleibt.
IV
Schlittenfahrt Der Schneewind packt mich jäh von vorn,
Mein Schlitten knirscht im schnellen Lauf,
Genüber streckt sein fahles Horn
Der wolkenblasse Eiger auf.
Ein kühler Siegesmut erfaßt
Mein Herz mit unbekannter Lust,
Als trüg ich eine werte Last
Von Stolz und Glück in meiner Brust.
Was noch von Krankheit in mir schlief,
Ich riß es aus mit fester Hand
Und warf es lachend steil und tief
Hinunter ins verschneite Land.
// Es gibt in der weiten Welt nichts Wunderbareres, Edleres und Schöneres als die Hochgebirgssonne im Winter. Von Schnee und Eis und Stein zurückgeworfen, spielt Licht und Wärme schwelgerisch in den unbeschreiblich durchsichtigen winterklaren Lüften – ein Licht und ein Strahlen feiner, zarter, trockener Wärme, von dem das Tiefland auch an den glänzendsten Tagen keine Ahnung hat.
(Aus: »Wintertage in Graubünden«, 1906)
/ WINTERLICHE BERGFAHRT /
Aufatmend auf dem Grat, den ich bezwang,
Stoß ich den Bergstock in den harten Firn,
Mit dem ich wie mit einem Feinde rang.
Nun tret ich triumphierend seine Stirn.
Und weit hinaus ruht helles Winterland:
Kein Wald, kein Acker, kein beglänzter See!
Nur eines jungen Stromes grünes Band,
Sonst nichts als Leere, Einsamkeit und Schnee.
Erfroren, weiß und aller Lust beraubt
Erscheint die Welt … da, durch ein Nebeltor
Schwingt klar und strahlend mit besonntem Haupt
Ein ferner Alpengipfel jäh hervor.
Und plötzlich flammt in rötlich grellem Licht
Der starr gezackte Kranz vereister Wände,
Urweltlich groß, ein fabelhaft Gedicht,
Und niederkniend falt ich meine Hände.
/ FEBRUAR /
(1921)
Schön ist der Morgenglanz im fernen Schnee,
Schön ist dies erste föhnig weiche Blau,
Hold ist am trocknen Südhang überm See
Die Mittagsrast im Laube braun und lau.
Und
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