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Winterland

Winterland

Titel: Winterland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Åke Edwardson
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Winter. »Was haben Sie hinterher gesagt? Nach dem Unfall. Was haben Sie der Polizei berichtet?«
    »Der Polizei?«
    »Es muss doch eine Ermittlung gegeben haben.«
    »Ja, schon. Aber ich, ich wusste ja nichts. Ich hatte doch keine Beweise, oder wie man das nennt. Die Tante hat mir auch nicht geglaubt.« Er sah Winter an. »Und nachts war ich ja nicht hier.« Er schien eine Geste zum Fenster zu machen, Richtung See. »Und da draußen war ich auch nicht mit dabei.« Er sah zum See hinaus. »Ich habe das bereut. Viele Male.«
    »Was bereut?«, fragte Ringmar.
    »Dass ich niemals etwas gesagt habe. Zu keinem anderen als zur Tante.«
     
    Tante Wilhelmsson hieß Rosa Wilhelmsson, und als Winter die Unterlagen bekam, war sie schon dreißig Jahre tot. Dasselbe Jahr, dachte er, dasselbe Jahr, in dem die Kolonie für immer geschlossen wurde. Er las den Bericht gründlich durch. Sie war am neunundzwanzigsten August gestorben, zwei Wochen, nachdem die Kolonie geschlossen worden war.
    Sie war ertrunken.
    Dem Bericht zufolge war sie allein gewesen, als sie in einem See ertrank, der weit von dem entfernt lag, an dem Winter zwei Tage zuvor gestanden hatte.
    Im Bericht stand nichts über irgendeine Krankheit.
    Es stand da auch nichts über ihren Sohn, Sivert. Nichts, das irgendetwas erklärt hätte.
    Sivert selbst konnte nichts erklären, jedenfalls im Moment noch nicht. Ihn gab es noch nicht.
    Sie hatten einen Sivert Wilhelmsson in einer Wohnung in den nördlichen Vororten gefunden. Dort gab es, wie im Süden, Felder um die Häuser. Die Häuser waren vor ungefähr vierzig Jahren gebaut worden, in der Hoffnung, dass sie einmal eine Stadt bilden würden, eine richtige Stadt.
    Als sie Wilhelmssons Wohnung betreten hatten, hatte Winter den Geruch von Eingeschlossensein und Leere verspürt. Hier war wochen- oder sogar monatelang niemand gewesen. Winter wusste, dass sie Grashalme da drinnen finden würden, von Feldern sowohl im Norden als auch im Süden.
    Auf einer antiken Anrichte hatte eine Fotografie gestanden, die er wiedererkannte.
     
    »Er könnte die Stadt verlassen haben«, meinte Ringmar.
    Sie saßen zur Abwechslung mal in Ringmars Zimmer. Winter musste eine Stunde lang nicht auf den Fattighusån schauen.
    »Vielleicht aber erzählt der alte Björk auch irgendwelchen Mist«, sagte Ringmar. »Vielleicht ist er selbst etwas verwirrt.«
    »Selbst?«
    »Sivert Wilhelmsson ist ja wohl eine verwirrte Seele.«
    »Björk ist nicht verwirrt.«
    Winter glaubte das nicht. Er hatte den Bericht über das ertrunkene Mädchen gelesen. Am Ende wurde es als Unfall bezeichnet. Sivert Wilhelmsson wurde nicht belangt.
    Charlotte Sander wurde ebenfalls nicht belangt. Belangt wofür? Was hatte sie gesehen? Hatte sie selbst etwas getan? Nein.
    Sie wurde freigelassen wie der Wind. Es gab niemanden, der sie gehalten hätte. Ihr Leben war wie der Wind gewesen. Aber das Einzige, was er wirklich von ihr wusste, stand in ihrem Gesicht.
    »Hat er sie all die Jahre am Haken gehabt? Wilhelmsson?«, fragte Ringmar.
    Winter antwortete nicht. Er dachte immer noch an ihr Gesicht.
    »Auf jeden Fall wusste sie irgendetwas«, sagte Ringmar.
    »Sie hat etwas gesehen.«
    »Schließlich war sie mit im Boot«, meinte Winter.
    »Sie hat gesehen, wie er das andere Mädchen, Lena, über Bord warf.«
    Winter antwortete nicht.
    »Warum ist er dann nicht auch über Charlotte hergefallen?«, fragte Ringmar.
    »Vielleicht hat er das ja getan«, meinte Winter.
    »Nein«, entgegnete Ringmar. »So nicht. Ein ertrunkenes Kind kann man vielleicht erklären oder als Unfall deklarieren, aber zwei?«
    »Warum hat er es getan?«, fragte Winter.
    »Er hatte ihr etwas angetan. Und das hätte sie erzählt.«
    »Wem?«
    »Der Leiterin. Seiner Mutter.«
    »Hätte das etwas ausgemacht?«
    »Ich weiß es nicht«, sagte Ringmar.
    Winter dachte nach. Er dachte an einen See, See und Eis. Er sah ein Boot. Dann sah er noch ein Boot.
    »Vielleicht hatte sie es ja schon getan«, sagte er. »Es der Tante Wilhelmsson erzählt.«
    Ringmar nickte.
    »Vielleicht hatten sie beide es ja schon getan«, fuhr Winter fort.
    »Mein Gott«, sagte Ringmar, »da graust es einem ja.«
    »Der Sohn ist mit den Mädchen auf eine Bootstour gegangen.«
    Ringmars Gesicht war versteinert und weiß.
    »Hatten sie jemand anders erzählt, dass sie bedroht wurden? Oder irgendwelchen Übergriffen ausgesetzt waren?«, machte Winter weiter.
    »Dem alten Björk«, erwiderte Ringmar.
    »Damals war er nicht alt«, sagte

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