Winterland
ordentlich in ihrer unberührten Brieftasche in ihrer unberührten Handtasche steckte. Wir haben ein Foto von einem hübschen Mädchen, das am 8.1.1975 geboren ist, aber wir können die Leiche trotzdem nicht identifizieren.«
»Das ist ja heute«, sagte ich.
»Was?«
»Sie hat heute Geburtstag«, wiederholte ich.
»Hm.«
»Sechsundzwanzig Jahre«, fuhr ich fort.
»Da könnte ein Zusammenhang bestehen«, sagte Munter.
»Wie steht es, Inspektor Berger, glauben Sie, dass da ein Zusammenhang besteht?«
»Ich glaube gar nichts«, erwiderte ich.
»Gut so.«
Im Polizeipräsidium kontrollierten wir als Erstes, ob unser Computermann es geschafft hatte, die Vermisstenmeldungen der letzten Tage durchzugehen. Wir hatten ihn schon vom Fundort aus angerufen.
Das Ergebnis schien fast zu gut, um für die Ermittlungen von Nutzen zu sein: Die sechsundzwanzigjährige Annie Lundberg war vor mehreren Stunden an diesem Sonntag von ihrem Freund als vermisst gemeldet worden. Die Daten schienen auf die Tote zu passen, wenngleich wir natürlich nichts über die Haarfarbe sagen konnten.
Alles, was wir jetzt tun mussten, war, den Freund ins Leichenschauhaus kommen zu lassen, um die Leiche zu identifizieren.
»Selbst wenn sie keinen Kopf mehr hat, müsste ein Freund doch seine Freundin wiedererkennen können«, meinte Munter.
»Da möchte ich aber nicht mit ihm tauschen«, sagte ich.
»Sie legen irgendetwas dorthin, wo der Kopf sein müsste, und decken es ab«, sagte Munter.
»Wir müssen aber vorher etwas dazu sagen«, gab ich zu bedenken.
»Ja, das müssen wir wohl«, stimmte Munter mir zu.
»Sonst fragt er sich womöglich, warum ihr Kopf sich plötzlich in einen Fußball verwandelt hat.«
Der Freund entpuppte sich als Freundin. Sogar Munter sah erstaunt aus, obwohl er doch wissen sollte, dass das heutzutage nichts Ungewöhnliches war. Sie stellte sich als Birgitta Sonesson vor, war ungefähr dreißig Jahre alt, vielleicht etwas jünger, und hatte eine dicke blonde Haarmähne.
»Hier entlang bitte«, sagte der Gerichtsmediziner.
Sie sah die Leiche an, ich hatte ihr schon vorher von dem Kopf erzählt.
»Das ist nicht Annie«, sagte sie fast augenblicklich. »Das ist sie nicht.«
»Sind Sie ganz sicher?«, fragte Munter.
»Annie hatte eine Tätowierung … auf dem Bauch«, sagte Birgitta Sonesson und wies auf den nackten Körper auf der Stahlpritsche. »Genau da, direkt unter dem Nabel.«
Sie schaute wieder Munter an, dann mich. »Mir gefiel das nicht. Dass sie sich hat tätowieren lassen. Ich habe sie gebeten, es nicht zu tun. Aber sie hat es trotzdem gemacht.«
Birgitta Sonesson begann heftig zu weinen, Munter machte eine Kopfbewegung, und der Gerichtsmediziner ging mit ihr hinaus. Sie weint, als läge hier wirklich ihre Geliebte, dachte ich.
»Was stellte die Tätowierung denn dar?«, fragte Munter draußen.
»Einen kleinen Vogel«, antwortete sie. »Ich glaube, eine Schwalbe.«
Wir saßen in Munters Zimmer. Die Zigarette in seinem Mund wippte auf und ab, als er redete.
»Wir haben eine Vermisste, deren Papiere bei einer Ermordeten abgelegt wurden«, sagte Munter. »Und wir haben eine Ermordete ohne Identität.«
Natürlich hatten wir Birgitta Sonessons Angaben überprüft.
»Verdammt«, fluchte Munter, »und die Zähne helfen uns auch nicht gerade weiter.«
In der Regel versuchten wir, unbekannte Tote über das Gebiss zu identifizieren.
»Also müssen wir alle Vermisstenmeldungen noch einmal durchgehen«, sagte Munter.
Wir gingen sie alle durch, einschließlich der neuen, die gerade erst reingekommen waren. Zwei oder drei stimmten in etwa mit der Leiche überein, und wieder gingen wir mit vor Angst bebenden Angehörigen ins Leichenschauhaus, doch jedes Mal konnten sie es erleichtert verlassen. Und ich dachte jedes Mal, den Nächsten muss hier jemand anders übernehmen.
»Irgendeine Form von Sport muss sie getrieben haben«, sagte der Gerichtsmediziner. »Die Muskelmasse vor allem in den Beinen weist darauf hin, dass sie hart trainiert hat, und zwar erst kürzlich. Aber sie hat auch Gewichte gehoben.«
»Was hat sie denn trainiert?«, hatte Munter gefragt.
Der Arzt hatte mit den Schultern gezuckt.
»Na, kommen Sie schon.«
»Ich würde auf irgendeine Art von Leichtathletik tippen«, meinte der Arzt. »Vielleicht Laufen. Oder Weitsprung. Ich weiß nicht. Vielleicht sollten wir mal mit einem Physiologen reden.«
»Chiropraktiker?«, hatte Munter gefragt.
Darauf hatte der Arzt nicht
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