Wintermädchen
mischt wieder – einmal, zweimal, dreimal. Seine Ärmel sind bis zum Bizeps hochgerollt. Das Männermonster-Tattoo auf seinem Unterarm leuchtet heller als das glühende Ende seiner Zigarette. Rauch steigt von seiner Haut auf und hängt über seinem Kopf, als stünde er in Flammen. Elijah wird zu dem Monster auf der Haut oder das Monster wird zu ihm, sie wechseln so schnell hin und her wie die Karten, die auf dem Tisch landen: zack, zack, zack.
Meine Augen versinken in Schwärze.
Als ich zum zweiten Mal aufwache, knallt die Sonne durch die Löcher im Vorhang herein.
Er ist weg.
059.00
Ich ziehe die Vorhänge auf. Die Stelle, wo der El Camino parkte, ist teilweise mit Schnee zugeweht. Sieht so aus, als ob Elijah beim Rausfahren vom Parkplatz zweimal stecken geblieben ist. Ich hätte die durchdrehenden Reifen und das Aufheulen des Motors hören müssen. Wäre auch so gewesen, wenn ich diese zweite Pille nicht genommen hätte.
Er ist nicht wirklich weg. Wahrscheinlich nur tanken gefahren und etwas fürs Frühstück besorgen. Wir hätten das gestern Abend besprechen sollen. Ich wette, ich könnte einen halben Bagel essen, vielleicht ein bisschen Joghurt.
Ich krieche unter die Decken zurück, die nach Rauch riechen, und schlafe wieder ein.
***
Ein Uhr nachmittags. Ich glaube, es ist Weihnachten.
Die Räumfahrzeuge waren da. Ob er einen Unfall hatte? Hat er sich verfahren?
Ich trinke mehrere Becher heißes Wasser aus dem Hahn, bis mein Kopf endlich wieder klar ist. Zwei Schlaftabletten waren eindeutig ein Fehler, weil ich nämlich jetzt erst merke, dass die Kiste mit den Spiralblöcken fehlt. Und ebenso seine Taschen mit den Buchseiten und der Kleidung.
Aber er wird zurückkommen. Er muss.
Um zwei schalte ich den Fernseher ein und beginne zu stricken, vor und zurück, vor und zurück, mache Laufknoten und verdrehte Maschen, die auf den langen Nadeln alles zusammenhalten. Ich stricke den ganzen Nachmittag über. Ich stricke Gründe, warum Elijah zurückkommen muss. Ich stricke Entschuldigungen an Emma. Ich stricke wütende Knoten und verlorene Maschen für jeden Fehler, den ich je begangen habe, und ich stricke nasse, aufgequollene Maschen, die scheußlich aussehen. Ich stricke die Sonne in den Untergang.
Ich schlafe.
Wache im Dunkeln auf, taste nach dem Licht, stehe auf, um pinkeln zu gehen.
Als ich zurückkomme, sehe ich den Zettel unter meiner Handtasche. Falte ihn auseinander. Drinnen finde ich einen Schlüssel und seine Nachricht.
L.
Ich weiß, dass du verfolgt wirst, ich sehe es in deinen Augen. Du musst deine Visionen ernst nehmen. Versuch mit ihnen umzugehen.
Du kannst mich dafür hassen, dass ich dein Geld geklaut habe, aber nicht dafür, dass ich ohne dich gefahren bin. Deine Familie will dir helfen. Sie lieben dich.
Es ist nicht richtig, davor wegzulaufen.
Peace,
E.
PS: Der Schlüssel ist der vom Büro. Der Snack-Automat ist nicht abgeschlossen. Iss nicht die Käsecracker, die sind älter als du.
Einen Zwanzigdollarschein hat er mir dagelassen. Für ein Taxi, nehme ich an.
Es schneit wieder. Ich schlucke zwei weitere Tabletten und versinke in Weiß.
060.00
Sie sagen: »Iss das, Lia. Iss das bitte iss bitte bloß dieses bitte kleine Stück.«
»Bitte.«
Die Krähen verfolgen mich, die Flügel ordentlich hinterm Rücken gefaltet, ihre hungrigen gelben Augen taxieren meine Weichteile. Sie umkreisen mich einmal, zweimal, dreimal, ihre Klauen kratzen über den Steinfußboden der Kirche.
Ich rolle mich auf dem gefrorenen Altar zusammen. Sie flattern näher heran, schwarze Federn füllen meinen Mund, meine Augen und Ohren.
mein Körper
mein Motelzimmer
ganz allein
Sie fressen. Sie schnappen sich kleine Bissen mit ihren Schnäbeln – einen aus meiner Wade, einen aus der Armbeug e –, reißen das Fleisch vom Knochen und fliegen mit ihren Schätzen davon.
061.00
Es dauert Stunden, mich aus meinem Traum zu zerren, zurück in das Bett im Zimme r 115. Nein, Tage. Stunden oder Tage oder Wochen. Ich weiß es nicht. Ich weiß nicht, wie viele Tabletten ich genommen habe.
Alles tut weh. Würmer nagen an meinen Schnittwunden, kriechen mir durch die Gelenke, in meine hässlichen Knochen. Mein Herz rast kaninchenschnell und legt sich dann in den Dreck, um zu überwintern. Hätte ich ein Messer zur Hand, würde ich tief genug schneiden, um das Spiel zu beenden. Aber ich habe nicht mal eine Plastikgabel.
Ich hebe meine Stricknadeln auf.
Ich könnte.
Wenn ich wirklich sterben möchte, gleich
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