Wintermond
beschleunigte Meta ihren Schritt, als sie plötzlich eine Lücke im Gedränge ausmachte... als träten die Menschen, ohne es selbst zu bemerken, beiseite, um ihr einen geheimen Weg zu offenbaren. Ein Kellergang … ein dunkler Ort, der sie magisch anzog... Während Meta noch über diese märchenhafte Vorstellung staunte, fand sie sich an einer Bar wieder, mit einer halbleeren Margarita vor sich. Leicht verwirrt blickte sie sich um. Offensichtlich war sie in einem der vielen Clubs gelandet, die in den Kellerräumen dieser Straße zu finden waren. Auch hier war kaum mehr ein Fuß an den Boden zu kriegen, die zum Rhythmus wippenden Schatten standen dicht an dicht gedrängt. Zwar war der Raum - von einem gelegentlich blitzartigen Licht einmal abgesehen - in Dämmerlicht getaucht, laut und unerträglich stickig, aber genau das gefiel Meta. Ein wunderbarer Gegenentwurf zu ihrer Alltagswelt der Galerie und ihrem gestylten Apartment, in dem jeder Schritt hallte. Selbst die Farbe des Cocktails zauberte ihr ein Lächeln aufs Gesicht.
Da ihre Hände zitterten und ihr bereits ein Schwung des Getränks über die Finger gelaufen war, versuchte sie, jeden Anflug von Melancholie zu unterdrücken. »Amüsieren«, sagte sie zu sich selbst. Ein gutes Motto. Amüsieren klang so viel besser, als sich zu Hause allein die Augen auszuweinen.
Sie spürte eine Berührung am Arm und glaubte schon, dass Marie ihr vor lauter Sorge bis in den Club gefolgt war. Doch es war ein Fremder, der neben ihr an der Bar gestanden hatte und sich nun zum Gehen abwandte. Meta erhaschte nur noch einen Blick auf sein dunkles Haar und ein ebenso dunkles T-Shirt, aber eine Spur seines Geruchs blieb zurück und rief in ihr eine Flut von Impressionen wach. Frisch geschlagenes Holz und Laub, aber auch etwas Schwereres, das von einem Körper in Bewegung erzählte. Eindringlich, vielleicht sogar ein wenig zu herb, meinte ihre Nase, die von dem Duft prickelte. Meta schüttelte unbewusst den Kopf. Nein, er war perfekt. Obwohl der Geruch ihr ungewöhnlich intensiv erschien, hielt sie es keinesfalls für ein raffiniertes Aftershave mit der Note Moschus. Es roch echt, sehr echt.
Metas Mund verzog sich zu einem Lächeln, während ihr unzählige Bilder durch den Kopf wirbelten, hervorgerufen durch den Duft des fremden Mannes. Einige Vorstellungen waren derart sinnlicher Natur, dass sie sich fast verlegen umgeschaut hätte, ob nicht jemand sie beobachtete und die schmutzigen Gedanken von ihrem Gesicht ablesen konnte.
Herrgott, dachte sie. Keine Margarita mehr für die Lady, oder sie fängt noch an, sich an fremden Männern zu reiben. Doch halt: Warum eigentlich nicht? Ein bisschen Vergnügen konnte schließlich nicht schaden - sagte sie sich und schaute sich um. Der Club war inzwischen in ein gedämmtes goldenes Licht getaucht, in dem sich die umherschwirrenden Gäste als weiche Schatten abzeichneten.Außerdem fiel es Meta schwer, den Blick geradeaus gerichtet zu halten. Alles war in Bewegung, ein einziges Durcheinander, in dem vereinzelt Gesichter und glitzernder Schmuck auftauchten und sofort wieder verschwanden. Von einem leichten Schwindel gepackt, widmete Meta sich wieder ihrem Cocktail.
Doch lange hielt es sie nicht an der Bar. Der Duft dieses Mannes hatte ihre Lebensgeister geweckt, und unruhig rutschte sie auf dem Barhocker hin und her. Als sie sich schließlich einen Weg durch den überfüllten Club bahnte, stellte sie fest, dass sie das mittlerweile leere Cocktailglas immer noch in der Hand hielt. Sie versuchte, es auf einem der Stehtische abzustellen, verfehlte die Platte aber, so dass das Glas zu Boden fiel und zersprang. Eine junge Frau, die von einer Scherbe am Bein getroffen worden war, schimpfte laut. Meta nuschelte eine halbherzige Entschuldigung, dann verschwand sie zwischen den tanzenden Leibern. Sie war heilfroh über die allgegenwärtige Enge, denn sie war sich nicht sicher, ob sie sich ohne sie lange allein auf den Beinen gehalten hätte.
Sie bewegte sich zum treibenden Rhythmus der Musik, wobei sich vor ihrem geistigen Auge das Bild eines sich sanft wiegenden Algenteppichs verdichtete. Obwohl Meta arge Probleme mit ihrem Gleichgewichtssinn hatte, streckte sie ihre Arme in die Höhe und glaubte einen Augenblick lang zu sehen, wie die Sonne sich an der Wasseroberfläche brach und ein blaues Schimmern auf sie niedersank. Sie schwankte leicht nach hinten und lachte dabei. Jemand stützte sie am Ellbogen ab, und noch bevor Meta sich bedanken konnte,
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