Tödliche Saturnalien
1. Kapitel
Es war ein ungemütlicher Dezembertag, als ich meinen Fuß nach langer Zeit erstmals wieder auf italischen Boden setzte. Der Wind blies mir den kalten Regen ins Gesicht, als der kleine Marinekutter die Ruder einzog und am Dock von Tarentum festmachte. Es war eine üble Jahreszeit, um auf See unterwegs zu sein, die Schiffahrtssaison lag bereits Monate zurück. Aber wenn man mich fragt, gibt es ohnehin keine gute Jahreszeit für Schiffsreisen. Wir hatten Rhodos bei ähnlich miesem Wetter verlassen, uns mühselig von Insel zu Insel und dann weiter an der zerklüfteten Küste vorgearbeitet. Wir hatten die Meerenge zwischen Griechenland und Italien passiert und die Südostspitze Italiens umschifft, bis wir die ruhigen Gewässer des tarentischen Golfs erreicht hatten.
Ich kletterte den Landungssteg hinauf und betrat das Land mit dem vertrauten Gefühl nachhaltiger Erleichterung. Ich sank zwar nicht direkt auf die Knie und küßte den Boden, aber es war nur mein Sinn für Anstand, der mich davon abhielt. Sofort begann mein Magen sich zu stabilisieren. Nur der Regen wollte nicht aufhören.
»Land!« rief Hermes mit tiefer, von Herzen empfundener Dankbarkeit, die Bündel mit unseren Sachen unter beide Arme geklemmt. Er haßte das Meer noch mehr als ich.
»Genieß es, solange du kannst«, riet ich ihm. »Denn schon bald wirst du deinen revoltierenden Magen gegen einen wundgescheuerten Hintern eintauschen.«
»Du meinst, wir müssen reiten?« Pferde haßte er fast so sehr wie das Meer.
»Hast du geglaubt, wir würden nach Rom laufen?«
»Ich denke, das würde ich aushalten. Wie weit ist es denn?«
»Fast dreihundert Meilen, glücklicherweise die ganze Zeit über erstklassige Straßen. Wir folgen der Via Appia zunächst bis Capua und bleiben dann entweder auf der Via Appia bis Rom oder nehmen die Via Latina, je nachdem wie die Straßenverhältnisse sind. Vielleicht ist die Via Latina um diese Jahreszeit etwas trockener.«
»So weit?« fragte Hermes. Als Sklave in meinen Diensten war er schon weiter gereist als die meisten Jungen seines Alters, dessen ungeachtet waren seine geographischen Kenntnisse noch immer recht vage. »Aber wir sind doch in Italien!«
»Es gibt mehr von Italien, als du dir träumen läßt. Jetzt geh und hol unser restliches Gepäck.« Grummelnd kehrte er aufs Schiff zurück, um meine Seekiste und die anderen Sachen zu holen. Derweil betrat ein offiziell aussehender Mann in Begleitung eines Sekretärs den Pier.
»Quintus Silanus«, stellte er sich vor, »Hafenmeister. Und du bist …?«
»Decius Caecilius Metellus der Jüngere«, erklärte ich ihm.
»Der Sohn des Censors, wie? Man hat uns informiert, daß du entweder hier oder in Brundisium ankommen würdest. Willkommen daheim in Italien, Senator. Wir haben Vorkehrungen getroffen, damit du so schnell wie möglich nach Rom kommst.«
Ich war beeindruckt. Ich hatte mich vorher nie für so wichtig gehalten. »Tatsächlich? Was für Vorkehrungen?«
»Laß uns ins Trockene gehen«, schlug Silanus vor. Ich folgte ihm zu einem Gebäude unweit des Marinedocks, wo wir uns unter dem Porticus den Regen aus unserer Kleidung schüttelten, bevor wir das Büro betraten.
»Hier, nimm einen Schluck, das beruhigt den Magen«, sagte Silanus. Ein Sklave goß mir einen Becher Weißwein ein. Es war ein durchaus trinkbarer, nicht zu verwässerter Bruttier.
»Im städtischen Stall nahe der Porta Appia stehen Pferde für dich bereit, und irgendwo muß ich auch Proviant-Anweisungen für dich haben, damit du sie auf dem Weg nach Rom füttern und in öffentlichen Ställen unterstellen kannst. Im Bedarfsfall kannst du auch frische Pferde bekommen.« Er kramte etwa eine Minute lang in diversen Fächern, bis ihn sein Sekretär elegant zur Seite schob, zielstrebig in eines der Fächer griff und einen Lederbeutel voller kleiner Schriftrollen hervorzog.
»Wer hat das alles veranlaßt?« fragte ich.
»Der Censor«, sagt Silanus. »Hast du das nicht erwartet?«
»Eigentlich nicht«, gab ich zu. »Sein Ruf erreichte mich auf Rhodos, und ich habe das erstbeste Schiff nach Italien genommen. Ich war allerdings davon ausgegangen, daß ich mich selbst um die Weiterreise nach Rom kümmern müßte. Für gewöhnlich stürzt mein Vater zur Begrüßung nicht mit ausgebreiteten Armen und wehender Toga aus dem Tor, wenn ich nach Hause komme, wenn du verstehst, was ich meine.«
»So sind Väter nun mal«, sagte Silanus und goß sich selbst einen Becher Wein ein. »Man kann
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