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Wir Ertrunkenen

Wir Ertrunkenen

Titel: Wir Ertrunkenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carsten Jensen
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mitgerissen. Einige Minuten war es unmöglich, sich untereinander zu verständigen. Der Lärm der Kanonen hatte uns taub werden lassen.
    Wir bildeten nun ein ganzes Geschwader. Zwei Dampfer waren dazugekommen, einen kannten wir seit der Verschiffung aus Ærøskøbing, es war die Hekla. Für den nächsten Tag bereiteten wir uns auf die Schlacht vor. In den Batteriedecks wurden die Kanonen klargemacht und Pumpen
und Feuerspritzen so aufgestellt, dass sie jederzeit zum Einsatz kommen konnten, sollte an Bord ein Brand ausbrechen. Jede einzelne Kanone bekam ihre Kartätschen und Vollkugeln, die Zündröhrchen packten wir in Kisten. In den letzten Tagen hatten wir alles so oft exerziert, dass wir die zahlreichen Befehle beinahe auswendig dahersagen konnten. Wir waren elf Mann an jeder Kanone, und vom ersten Befehl «Klar überall!», gefolgt von «Wischer und Kartusche!» und «Zündrohr einlegen!» bis endlich zum Befehl zu schießen, rannten wir konfus umher, starr vor Angst, irgendetwas falsch zu machen. Wir waren gewohnt, zu dritt oder zu viert auf unseren kleinen Frachtseglern und Galeassen zu arbeiten, und nun waren wir plötzlich Herren über Leben und Tod.
    Allzu oft blieben wir wie gelähmt stehen, wenn der Geschützführer sein «Nach dem Visier ausrichten!» oder «Einrichten!» brüllte. Was, zum Teufel, bedeutete das eigentlich? Jedes Mal, wenn es uns gelang, den verzwickten Weg bis hin zum letzten Befehl fehlerfrei zurückzulegen, wurden wir vom Geschützführer gelobt. Dann brachen wir in ein munteres Hurra! aus, und er schaute erst uns an, dann seine Kanone und schließlich hinunter auf Deck, während er den Kopf schüttelte.
    «Ihr Jungspunde», sagte er, «verdammt noch mal, tut bloß euer Bestes! »
     
    Wir wussten nicht so genau, auf wen wir eigentlich schießen sollten. Doch wohl kaum auf die alte Ilse mit der schiefen Hüfte, die Branntweinmutter, die uns im Hafen von Eckernförde den erquickenden Trank verkaufte, wenn wir mit unseren Schuten anlegten. Und auf den Kornhändler Eckhardt, mit dem wir manch guten Handel geschlossen hatten, sicherlich auch nicht. Dann gab es noch den Gastwirt vom Roten Hahn. Er hieß Hansen, ein Name, der ja urdänisch war. Wir hatten ihn nie mit einem Gewehr in der Hand gesehen. Niemand von ihnen war der Deutsche, soweit wir es beurteilen konnten. Aber der König wusste, wer der Deutsche war. Und der Kommandant, der so verwegen Hurra! gebrüllt hatte.
     
    Wir nahmen Kurs auf die Bucht. Die feindlichen Batterien an der Küste fingen an zu donnern, aber wir waren außerhalb ihrer Reichweite, und schon bald wurde es wieder ruhig. Wir bekamen Branntwein anstelle
des üblichen Tees. Um neun wurde der Zapfenstreich geblasen, nun war es Zeit, in die Kojen zu kriechen. Sieben Stunden später wurden wir geweckt, es war Gründonnerstag, der 5. April 1849. Wieder erhielten wir Branntwein statt Tee, und auf Deck stand bereits ein Fass Bier. Wir konnten trinken, so viel wir mochten, und unsere Laune war ausgezeichnet, als wir den Anker lichteten und uns der Bucht näherten.
    Über die Verpflegung an Bord der Schiffe Ihrer Majestät konnten wir uns nicht beklagen, denn hatten wir daheim für uns zu sorgen, war die Kost mager. Über uns hieß es, bei einem Schiff aus Marstal würden nie Möwen im Kielwasser fliegen, und das hatte schon seine Richtigkeit. Bei uns wurde nichts vergeudet. Hier aber gab es außer Tee und Bier jeden Tag so viel Brot, wie wir nur essen konnten, zum Mittagessen ein Pfund frisches Fleisch oder ein halbes Pfund Speck, Erbsen, Grütze oder Suppe und am Abend vier Lot Butter und dazu einen Schnaps. Daher liebten wir den Krieg, lange bevor wir zum ersten Mal Pulverdampf rochen.
     
    Wir hatten die Eckernförder Bucht erreicht. Das Ufer rückte näher, und die Kanonenstellungen an Land waren jetzt deutlich auszumachen. Kresten Hansen beugte sich hinüber zu Ejnar Jensen und vertraute ihm einmal mehr an, dass er die Schlacht nicht überleben werde.
    «Ich hab’s gewusst, seit der Deutsche die Zollkasse verlangte. Ich sterbe heute.»
    «Einen Scheiß wusstest du», erwiderte Ejnar. «Du hast doch nicht einmal geahnt, dass die Schlacht an Gründonnerstag stattfindet.»
    «Doch, das wusste ich schon lange. Die Zeit ist gekommen, da wir erschossen werden!»
    «Halt jetzt die Schnauze», sagte Ejnar gereizt. Er hatte sich das Gejammer anhören müssen, seit sie die Hängematten aufgerollt und die Stiefel geschnürt hatten.
    Doch Kresten war nicht zu bremsen, sein Atem

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