Wir fangen gerade erst an: Roman (German Edition)
und Gemeindehäusern aufgetreten und vor ein paar Jahren gemeinsam in dieses Altersheim eingezogen. Lange hatte sie dafür plädiert, lieber Geld für den Kauf eines Schlosses in Südschweden zu sparen, das hätte sie wesentlich spannender gefunden. Denn kurz zuvor hatte sie in der Zeitung von Ystad gelesen, dass alte Schlösser billig zu haben waren, und einige hatten sogar Schlossgräben.
»Stellt euch vor, irgendjemand von einer Behörde steht vor der Tür. Oder ein Kind, das vorzeitig sein Erbe will. Dann ziehen wir einfach die Brücke hoch«, hatte sie gesagt und fand die Argumente sehr überzeugend. Doch als sie feststellten, dass Schlösser in der Unterhaltung sehr teuer waren und einiges an Dienstpersonal erforderten, entschieden sie sich doch lieber für das »Seniorenheim Maiglöckchen«, jenes Haus, das die neuen Besitzer in »Haus Diamant« umgetauft hatten.
»Und, hat dir dein nächtliches Mahl geschmeckt?«, fragte Märtha, als Kratze die letzten Tropfen aus seinem Likörglas geschlürft hatte. Er sah noch recht verschlafen aus, doch die Müdigkeit hatte ihn nicht davon abgehalten, eine Rose ins Knopfloch zu stecken und ein frisch gebügeltes Halstuch umzubinden. Mag sein, dass er mittlerweile leicht ergraut war, doch er hatte noch denselben Gentleman-Charme und dieselbe Eleganz wie früher, so dass sich durchaus jüngere Frauen nach ihm umdrehten.
»Nächtliches Mahl? Das war nur eine Hungerattacke, Fressen im Rausch. Ein normaler Rausch hat wenigstens noch einen Sinn. Aber das war ekliger als Schiffszwieback«, schimpfte er und stellte sein Glas ab. In seiner Jugend war er zur See gefahren, aber nachdem er ausgemustert worden war, hatte er eine Umschulung zum Gärtner gemacht. Heute begnügte er sich damit, Blumen und Kräuter auf dem Balkon zu ziehen. Es grämte ihn sehr, dass ihn alle Kratze nannten. (Nur weil er es liebte, im Garten zu werkeln und dabei über eine Harke gestolpert war, musste man doch nicht lebenslang gezeichnet sein.) Doch mit seinen Vorschlägen, ihn mit den Spitznamen »Blume«, »Blatt« oder »Laub« anzureden, hatte er kein Gehör gefunden.
»Könntest du dir vielleicht vorstellen, das nächste Mal stattdessen ein Käsebrot zu schmieren? Ein leises Essen, das nicht piept?«, grummelte Anna-Greta, die auch aufgewacht war und nur schwer wieder einschlafen konnte. Sie war eine etwas derbe Person, entschieden und sehr korrekt, und darüber hinaus so groß und dünn, dass Kratze gerne sagte, sie sei in ein Fallrohr hineingeboren worden.
»Es duftet aus der Dachwohnung eben immer nach leckerem Essen und guten Gewürzen, da bekomme ich natürlich Hunger«, entschuldigte er sich.
»Du hast recht. Das Personal sollte uns etwas abgeben. Von diesem Astronautenessen wird doch keiner satt«, sagte Stina Åkerblom und feilte diskret ihre Nägel. Die frühere Putzmacherin, die immer davon geträumt hatte, Bibliothekarin zu werden, war die Jüngste von ihnen, nämlich erst 77 Jahre alt. Sie wünschte sich ein ruhiges und angenehmes Leben, wollte gut essen und Aquarelle malen. Jedenfalls keinen Fraß serviert bekommen. Nachdem sie ihr halbes Leben im Nobelstadtteil Östermalm verbracht hatte, war sie einen gewissen Standard gewohnt.
»Das Personal bekommt dasselbe Essen wie wir«, erläuterte Märtha. »Es sind die neuen Inhaber, die da oben ihr Büro und ihre Küche haben.«
»Dann sollten wir einen Fahrstuhl installieren, der uns das Essen herunterfährt«, schlug Oskar »Snille« Krupp vor, durch den sich die Truppe kennengelernt hatte und der ein Jahr älter als Stina war. Er war Erfinder und hatte in Sundbyberg seine eigene Werkstatt gehabt. Auch er hatte eine Vorliebe für gutes Essen, war rund und füllig und vertrat die Meinung, dass Sport etwas für Leute sei, denen nichts Besseres einfiel.
»Könnt ihr euch noch an die Broschüre erinnern, die wir bekommen haben, als wir vor ein paar Jahren hier eingezogen sind?«, fragte Märtha. » Gutes Essen aus dem Restaurant stand da geschrieben. Darüber hinaus sollten tägliche Spaziergänge, Auftritte von Künstlern, Fußpflege und Friseurbesuche angeboten werden. Seit die neuen Inhaber am Ruder sind, läuft gar nichts mehr. Es ist langsam an der Zeit, dass wir es offen aussprechen.«
»Aufruhr im Altersheim!«, kommentierte Stina mit theatralischem Tonfall und ausladender Geste, so dass ihr die Nagelfeile aus den Händen flog.
»Ja, genau, eine kleine Meuterei«, tastete Märtha sich vor.
»Wir sind doch nicht auf See«,
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