Wir lassen sie verhungern
auf die Reichtümer, die diese ihnen versprechen. 298 In einigen Ländern der Dritten Welt sind die Unterschlagung öffentlicher Gelder und die Bereicherung der gewählten Volksvertreter ein großes Unglück. Wo die Käuflichkeit grassiert, werden die Ackerflächen den Oligarchen des globalisierten Finanzkapitals preisgegeben, die schalten und walten können, wie sie wollen.
Paul Biya, der seit nahezu dreißig Jahren kamerunischer Präsident ist, verbringt drei Viertel seiner Zeit im Genfer Hôtel Intercontinental. Ohne seine tätige Mithilfe könnte sich der Trust von Alexandre Vilgrain nicht die vielen Tausend Hektar Ackerland in Zentralkamerun aneignen. Ohne sie hätte Vincent Bolloré nicht die Privatisierung des Staatsunternehmens Socapalm erreicht und sich nicht 58000 Hektar fruchtbares Ackerland unter den Nagel reißen können.
In Las Pavas, im nordkolumbianischen Departement Bolivar, werden die paramilitärischen Killer im Sold der spanischen transkontinentalen Ölpalmenkonzerne von der politischen Führung des Landes dazu »ermächtigt«, wenn nicht sogar aufgefordert, die Bauern von ihrem Ackerland zu vertreiben: Wie erwähnt, ist der gegenwärtige Präsident Juan Manuel Santos mit den spanischen Palmölkonzernen so eng verbandelt, wie sein Vorgänger Âlvaro Uribe es mit den Paramilitärs war.
Ohne das Wohlwollen von Abdulaye Wade gäbe es keine Grands Domaines du Sénégal! Und was wäre in Sierra Leone der rührige Jean-Claude Gandur ohne die bestechlichen Regierungsvertreter, die den ländlichen Gemeinschaften ihr Ackerland entreißen, um es ihm zu überlassen?
Bleibt der Hauptfeind. Es wäre so absurd wie vergeblich, von diesen Kraken der Agrarkonzerne, Geiern des »Grünen Goldes« oder »Tigerhaien« der Börsenspekulation zu erwarten, dass ihnen das Gewissen schlägt. Das Gesetz der Profitmaximierung ist ein ehernes Gesetz.
Doch wie sollen wir dann diesen Feind bekämpfen und besiegen? Von Che Guevara stammt das Wort: »Die stärksten Mauern fallen durch ihre Risse.«
Bringen wir also der gegenwärtigen kannibalischen Weltordnung, die die Menschen unter ihrer Betondecke begräbt, so viele Risse wie möglich bei!
In seiner Gefängniszelle schrieb Antonio Gramsci 1929: »Der Pessimismus der Vernunft verpflichtet zum Optimismus des Willens.« 299 Der Christ Péguy sprach von der »Hoffnung, dieser Blume der Schöpfung … die selbst Gott entzückt«.
Der Bruch, der Widerstand, die Unterstützung der Gegenmächte durch die Völker sind unentbehrlich – egal, auf welcher Ebene. Ob global oder lokal. Theoretisch oder praktisch. Hier oder anderswo. Notwendig sind bewusste, konkrete Aktionen, Aufstände, Landbesetzungen etc. wie die der Bauerngewerkschafter von Ross Béthio, Benin, der Sierra Jotocán in Guatemala oder der Reisbauern von Las Pavas in Kolumbien.
In den Parlamenten, den internationalen Institutionen, können wir radikale Veränderungen durchsetzen: die Vorrangigkeit des Rechtes auf Nahrung festschreiben, Börsenspekulationen auf Grundnahrungsmittel verbieten, die Herstellung von Biotreibstoffen aus Nahrungspflanzen untersagen, das globale Kartell der Kraken des Agrarrohstoff- und Nahrungsmittelhandels zerschlagen, die Bauern gegen das Land Grabbing schützen, die Subsistenzlandwirtschaft im Namen des kulturellen Erbes erhalten und überall auf der Welt in ihre Verbesserung investieren. Die Lösungen sind da, die Waffen zu ihrer Durchsetzung verfügbar.
Was vor allem fehlt, ist der Wille der Staatengemeinschaft.
Doch zumindest im Westen können wir durch Wahlen, freie Meinungsäußerung, die Mobilisierung der öffentlichen Meinung und – warum nicht? – Streik eine radikale Veränderung der Allianzen und politischen Strategien bewirken. In der Demokratie gibt es keine Ohnmacht.
Deutschland ist die lebendigste Demokratie Europas und die vierte Wirtschaftsmacht der Welt. Durch vielfältige Formen politischen Engagements könnte das Volk auf das Parlament einwirken mit dem Ziel, das Börsengesetz zu ändern und die Spekulation auf Grundnahrungsmittel zu verbieten, das Agrardumping der EU und die Einfuhr von Agrotreibstoffen abzuschaffen. Bei der nächsten Sitzung des IWF in Washington könnten wir den deutschen Finanzminister zur Streichung der Auslandsschulden der 50 ärmsten Länder zwingen. Ich wiederhole: Es gibt keine Ohnmacht in der Demokratie, keine Entschuldigung für freie Bürger, nichts zu tun.
Zwischen Maniokpflanzungen und Zuckerrohrfeldern, zwischen familiärem
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