Wir sind verbannt (German Edition)
während des ganzen Heimwegs nicht mehr aus dem Kopf. Es gibt ja eine Menge Tratsch auf der Insel, über alles Mögliche. Ich weiß, dass viele Leute die Menschen, die wie Dad vom Festland hierhergezogen sind, nicht leiden können. Und ich weiß, dass es Leute gibt, die Mom, Drew, mich und alle anderen, die nicht so hellhäutig sind wie sie, schief ansehen. Aber noch nie hat jemand mir solche Unverschämtheiten direkt ins Gesicht gesagt, und das so überfreundlich .
Allein der Gedanke daran macht mir eine Gänsehaut.
Er muss betrunken gewesen sein. Und krank ist er auch. Und vielleicht fällt ihm langsam die Decke auf den Kopf, so im Haus eingepfercht, wo er doch daran gewöhnt ist, den ganzen Tag draußen am Hafen oder auf See zu sein.
Eins steht jedenfalls fest: Wenn wir das nächste Mal an dem Referat arbeiten, kommt Rachel zu mir.
8. September
Den heutigen Tag kann man wahrscheinlich als einen Schritt vorwärts für die neue Kaelyn und einen Schritt zurück für Dads und meine Vater-Tochter-Beziehung bezeichnen.
Dad wirkte schon heute Morgen angespannt, lief in der Küche auf und ab, während er auf das Pfeifen des Wasserkessels wartete – doch da dachte ich mir noch nichts weiter. Kurz nach dem Frühstück kam Meredith vorbei, wie immer sonntags. Den Vormittag verbrachte sie damit, mit Mom Freundschaftsbändchen zu flechten, und den Nachmittag verbrachte sie mit mir.
Es macht mir nichts aus, wenn sie da ist – sie ist längst nicht so zickig wie die meisten Siebenjährigen, die ich so kenne. Und seit Tante Lillian letztes Jahr weggegangen ist, ist sie noch stiller geworden.
Kannst du dir vorstellen, Mann und Tochter einfach so ohne jede Erklärung sitzenzulassen? Ich verstehe das nicht. Ich habe Tante Lillian allerdings auch nicht besonders gut gekannt. Meistens hat Onkel Emmet das Reden übernommen.
Ich kann Meredith nicht ihre Mom ersetzen, aber ich komme mir jedes Mal vor wie eine Superheldin, wenn ich es schaffe, sie zum Lachen zu bringen, indem ich ihr alberne Filmchen aus dem Internet vorspiele oder sie zuschauen lasse, wie die Frettchen sich gegenseitig jagen.
Wir saßen gerade in meinem Zimmer, und Mowat und Fossey sprangen wie immer durch die Gegend, da riss Fossey mein Kojoten-Notizbuch herunter. Meredith hob es auf und blätterte durch die Seiten.
»Cool!«, sagte sie, als sie meine Aufzeichnungen sah. »Schreibst du was über Hunde?«
»In dem Waldstück nördlich vom Hafen lebt eine Kojotenfamilie«, antwortete ich. »Ich habe sie beobachtet und aufgeschrieben, was sie so alles machen.«
»Sind die gefährlich?«, fragte sie.
»Eigentlich nicht«, sagte ich. »Ich muss sogar höllisch vorsichtig sein, wenn ich sie überhaupt zu Gesicht kriegen will, solche Angst haben sie vor mir.«
Meredith bekam große Augen. »Könnte ich sie auch mal sehen?«, fragte sie. »Kannst du mich mitnehmen?«
Bisher war ich immer alleine hingegangen, aber ich dachte, es wäre vielleicht gut, die Dinge, die mir wichtig sind, mehr mit anderen Menschen zu teilen. Meredith war so aufgeregt, als würden wir auf eine richtige Expedition gehen. Wie hätte ich da nein sagen können?
Alles lief perfekt. Wir marschierten in den Wald, und ich zeigte Meredith die Stelle zwischen den zwei Tannen auf dem Hügel, wo ich mich gerne auf die Lauer lege, weil der Wind da normalerweise meinen Geruch von ihnen wegträgt. Die Sonne strahlte, das Gras roch warm und grün, als wäre der Herbst noch in weiter Ferne. Wir legten uns auf den Bauch, und nachdem sie mir ein paar Fragen zugeflüstert hatte, verhielt Meredith sich so ruhig, dass ich fast vergessen hätte, dass sie überhaupt da war.
Zuerst war ich ein bisschen in Sorge, wir würden vielleicht nichts zu sehen bekommen. Doch dann trotteten die erwachsenen Tiere und die Welpen, die mittlerweile fast schon groß sind, nach einem Tag des Jagens und Plünderns wieder zurück in ihre Höhle. Die Welpen fingen an, sich zu balgen. Es gab mehr zu sehen als an den meisten Tagen, wenn ich allein dort bin. Ich hätte mich in den Hintern treten können, weil ich mein Notizbuch nicht dabeihatte, aber wir waren ja eigentlich auch nicht wegen mir da.
Auf dem Rückweg erzählte ich Meredith davon, wie ich zum ersten Mal einen Kojoten gesehen hatte. Du erinnerst dich bestimmt daran, Leo. An dem Tag, als Mom dich und mich und Drew mit fünf oder sechs zum Blaubeerpflücken mitnahm. Ich blickte einmal dabei auf, und da stand ein Kojote, nur ein paar Meter entfernt, und beobachtete
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