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Wir waren nie Freunde

Wir waren nie Freunde

Titel: Wir waren nie Freunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Casta
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dass wir nur Philip, Manny, PiaMaria und Kimmi sind. Wir geben die Hand. Die der Großmutter ist trocken und kräftig.
    »Hallo Stig!«, ruft Tove und winkt dem Mann auf der Treppe zu. Er hat Probleme sich zu bewegen, erklärt sie. Er hatte im Winter einen Herzinfarkt.
    Ihre Großmutter fragt, ob wir durstig sind, und als wir laut »JA!« grölen, sieht sie ganz erschrocken aus und sagt, dann sollen wir doch hereinkommen und etwas trinken. »Holst du mal Saft, Tove?«, fragt sie Tove.
    Aber Tove schüttelt den Kopf.
    »Das macht Kim. Nicht wahr, Kimmi? Hinten in dem Erdkeller. Blaubeersaft.«
    Sie nickt in Richtung eines kleinen grasbedeckten Hügels im Garten und ich sage »ja natürlich, sicher« und trotte davon.
    Die Kellertür ist etwas schwer, also muss ich sie mit beiden Händen packen und aufziehen. Im Keller selbst ist es kühl und dunkel. Es riecht nach Äpfeln und Feuchtigkeit. Auf einem Holzregal steht eine Reihe von Flaschen. Ich nehme eine.
    Tove wartet auf der Treppe. Sie steht nachdenklich da, und jetzt endlich kann ich alles, was sie mir erzählt hat, mit den Bildern hier verbinden, denn die Sonne scheint dort auf der Treppe auf sie: Ich sehe, dass sie irgendwo ganz woanders ist, ich nehme an, in ihrer Kindheitswelt, in der die sonnige Welt so voll war mit Blaubeeren und Sauermilch.
    »Siehst du den Herzkirschbaum da hinten?«, fragt sie. »Da hing meine Schaukel.«
    Ich sehe den Baum, nicke, sage aber nicht, dass ein Herzkirschbaum mich immer an meine Cousine erinnert, die von so einem Baum gefallen ist, als sie zwölf war. Jetzt sitzt sie im Rollstuhl.
    Als wir ins Haus kommen, haben die anderen sich bereits an den Küchentisch gesetzt. Toves Großmutter hat eine Platte mit runden Kuchen mit roter Marmelade darauf hingestellt. Philip redet mit Stig. Er fragt nach dessen Herzinfarkt. Wie es ihm jetzt geht. Er bekommt nur kurze Antworten, ein Brummen, ab und zu ein Nicken.
    Es riecht nach irgendetwas in der Küche, ja im ganzen Haus herrscht ein starker, eindringlicher Duft, den ich nicht bestimmen kann. Vielleicht ist es das Leben hier draußen, das so riecht, der Wald und die Gemüsefelder, alle Tiere.
    Riecht Tove auch manchmal so? Ich nehme es nicht an. Sie steht mit einem Tablettenröhrchen am Spülbecken, und ich denke, dass ich etwas Wasser vor dem Saft brauche und gehe zu ihr. Das Wasser ist eiskalt und schmeckt anders als in der Stadt. Ich trinke vier, fünf Gläser. Bin überrascht über den weichen Geschmack. »Ihr habt hier vielleicht gutes Wasser!«, rufe ich aus und drehe den Wasserhahn zu.
    Ich hätte nichts Passenderes sagen können. Toves Großmutter lacht mich an und sogar Stig lächelt und erklärt, dass das Wasser aus einer alten Quelle stammt, die sein Großvater vor fast hundert Jahren gegraben hat.
    Damit ist das Eis gebrochen. Wir unterhalten uns über alles Mögliche. Tove versinkt in einem Gespräch mit ihrer Großmutter, und jetzt wird es mir endlich klar, das, was sie mir zu erklären versucht hat. Ich meine diese Sonne, die über ihrer Kindheit schien, hören zu können. Als Toves Oma mit Tove spricht, wird Tove zur Hauptperson. Ich kann das nicht erklären. Nur, dass sie in der Stimme ihrer Großmutter zu hören ist, diese Wärme. Ich sehe, dass auch PM das merkt. Sie dreht den Kopf, um zu sehen, was da passiert. Aber das ist nichts Besonderes. Das ist nur die Stimme von Toves Großmutter, die Tove sichtbar macht.
    Wir bekommen eine große Tüte voll mit weißen Eiern, und ich wundere mich, weil ich dachte, alle Landeier wären braun. Philip findet eine Möglichkeit, die Eiertüte in einen der Töpfe auf der Außenseite des Rucksacks zu hängen. Stig hilft ihm, er schiebt den Hasen beiseite und lacht über ihn.
    Toves Großmutter scheint jetzt zufrieden zu sein, sie hat gemerkt, dass wir aus der gleichen Welt stammen wie sie. »Passt auf euch auf«, sagt sie, als wir weiterfahren. »Ihr auch«, ruft Tove zurück.
    Und ich denke etwas in der Richtung, dass es nicht gut sein kann, dass zwei alte Menschen so einsam leben.
    Ist das hier irgendwo? Es ist ein schönes Gefühl weiterzufahren. Ich weiß nicht, ob es an dem Wasser aus der Quelle von Stigs Großvater liegt, aber ich habe das Gefühl, als könnte ich bis ans Ende der Welt radeln. Es gibt keinen Verkehr mehr. Der Wald rückt dichter an uns heran, er kommt näher an den Weg. Ein murmelnder Bach leistet uns eine Weile Gesellschaft, und Philip schreit, das sei im Winter ein perfekter Platz für Wasseramseln.
    Nach

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