Wir waren unsterblich (German Edition)
Antwort.
„Die neue Botschaft des Lichtlosen war Astrids Idee.“ Leo lächelte ein wenig. „Sie nahm an, dass ihr dann so perplex seid, dass ihr sofort mit der ganzen Geschichte rausrückt.“
„Hättest du dich wirklich erschossen?“, fragte ich. Ich warf dem Revolver auf dem Sims einen scheuen Blick zu.
„Ich weiß es nicht.“ Leo zögerte. „Es sollte euch nur Angst einjagen. Aber dann ... als ihr einfach nicht den Mund aufmachen wolltet, da hätte ich vielleicht tatsächlich abgedrückt.“ Er kam auf uns zu.
„Tut mir leid“, murmelte Markus und es klang ehrlich gemeint.
„Noch Cognac?“, fragte Leo.
„Unbedingt“, sagte ich.
Leo verteilte den Rest der Flasche in unsere Gläser. „Ich glau-be, wir haben ziemlichen Scheiß gebaut“, sagte er.
„Den größten Scheiß baute Grundmann“, erwiderte ich. „Ohne ihn wäre alles ganz anders gekommen. Ich frage mich immer, wo seine Leiche geblieben ist?“
Leo wischte sich mit dem Ärmel den Schweiß vom Gesicht. „Als Charlie uns mit der Leiche im Keller erwischte, versprach er doch, den Kerl verschwinden zu lassen.“
Ich nickte kurz.
„Ich wollte auf Nummer Sicher gehen und bin deshalb nicht wie ihr nach Hause gegangen, sondern schlich mich zum Bauernhof zurück.“
„Und?“, drängte ich.
„Charlie hielt nur einigermaßen sein Wort. Ich beobachtete, wie er den Hausmeister begrub. Allerdings in dem Gestrüpp gleich hinter dem Bauernhof und nicht besonders tief. Charlie war ein Faulpelz.“
„Warum hast du uns das damals nicht gesagt?“ Ich klang vor Aufregung ganz heiser.
„Weil ich nicht wusste, wie ihr reagieren würdet. Wir waren doch alle total durchgedreht. Denkt nur an den Plan, Grundmann und seinen Opel in der Ruhr zu versenken. Bestimmt wäre einer von euch auf die Idee gekommen, Grundmann wieder auszugraben, um ihn woanders hinzubringen. Das wäre viel zu gefährlich gewesen. Ich wollte Ruhe. Außerdem hätte ich seinen Anblick nicht ertragen.“ Leo schüttelte sich. „Könnt ihr euch vorstellen, wie der mittlerweile ausgesehen hätte?“
„Keiner von uns hätte ihn ausgegraben“, erwiderte ich.
„Bist du sicher?“
„Ja“ Ich zögerte keine Sekunde.
„Mmm“, machte Markus. „Ich könnte mir schon vorstellen ... .“
„Siehst du!“ Leo marschierte mit großen Schritten durch den Raum und zählte dabei: „Drei, vier, fünf! Stopp!“ Er stampfte mit dem Fuß auf. „Hier ist es.“
„Was?“, fragte ich.
„Ihr habt euch doch darüber gewundert, warum ich das Haus ausgerechnet hier gebaut habe?“
„Es ist irgendwie ... na ja ... pervers“, sagte Markus.
„Als man hier vor ein paar Jahren den Bauernhof abriss und die ersten Häuser entstanden, war mir klar, dass früher oder später Grundmanns Überreste gefunden würden.“
Ich war fassungslos. „Heißt das: Du hast dein Haus direkt über seiner Leiche erbaut?“
„Aus diesem Grund ist es auch als Einziges in dieser Straße nicht unterkellert.“ Ich sah unwillkürlich zu Boden, aber dort glänzte nur das Parkett.
„Das ist mein Teil der Geschichte.“ Leo lächelte schief und zahnlos. „War es ausnahmsweise mal spannend?“
„Oh ja“, sagte ich. „Das war es.“
„Eine Sache noch.“ Leo deutete mit einem Nicken auf den Fußboden. „Ich habe Astrid nicht erzählt, dass der Hausmeister unter unserem Wohnzimmer liegt. Sie würde den Raum nie mehr betreten. Astrid ist etwas empfindlich. Die Sache bleibt besser unter uns.“
„Auf jeden Fall! Niemand darf davon erfahren.“ Ich trat eilig ein paar Schritte zur Seite.
Über den Autor Raimon Weber
Geboren in Unna. 1998 legte Raimon Weber seinen ersten Kurzgeschichtenband vor. Bis 2005 Autor der Jugendhörspielreihe Point Whitmark und der Hörspielserie Gabriel Burns. Heute ist er weiterhin als Regisseur, Produzent und Autor von Hörspielen tätig. Außerdem ist er als Storydoktor tätig und bearbeitet Fremdtexte wie Drehbücher oder Prosa. Natürlich anonym. 2003 startete Raimon Weber mit „Wir waren unsterblich“ die erfolgreiche Krimireihe „Ruhr.Tod.Roman“. 2008 hatte der vierte Roman „Zwienacht“ Premiere. Im Mittelpunkt des beklemmenden Thrillers „Zwienacht“ steht ein Mann, der an den Auswirkungen eines Blitzschlags leidet und mit ansehen muss, wie sein Umfeld immer mehr in Psychoterror und Gewalt versinkt. Die Idee zum dem Krimi kam dem Autor, als er 2006 – glücklicherweise ohne sichtbare Folgen – selbst in einem Gewitter vom Blitz getroffen wurde und
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