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Wir wollen Freiheit

Wir wollen Freiheit

Titel: Wir wollen Freiheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Gerlach
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hat uns Hoffnung gemacht und deswegen gehen wir es jetzt an«, sagt er. Ob der ehemalige Chef der internationalen Atomenergieorganisation ein geeigneter Präsident für ein Ägypten nach Mubarak sein könnte, darüber will Mahmoud nicht spekulieren: »Im Moment müssen wir zusehen, dass sich überhaupt etwas ändert. Was dann kommt, sehen wir später.« Am Abend sagt Mohammed ElBaradei in einem Interview, dass er als Übergangspräsident zur Verfügung stehe.
    |22| Während die Sendung auf
Al Dschasira
läuft, geht mein Mann zum Geldautomaten und kauft auch noch einmal ein. Vorräte: Milch, Eier, Spaghetti. Er hatte recht.
    Der Freitag der Wut
28.   Januar 2011
    Schon beim Aufwachen am Freitagmorgen ist klar: Jetzt wird es ernst. Das Handy ist tot und auch das Internet funktioniert nicht mehr. Auf
Al Dschasira
laufen Bilder aus der Innenstadt. Räumpanzer, Polizeihundertschaften und Wasserwerfer. Die Nilbrücken sehen aus wie Festungen. Ganz offensichtlich ist die Regierung gut vorbereitet auf diesen »Freitag der Wut«. Und die Aktivisten? Ohne Handy und Internet werden sie sich schlecht organisieren können, oder? »So ein Quatsch. Unsere Regierung ist so dumm«, sagt Walied Raschid. Der schlacksige 2 8-Jährige gehört zur Jugendbewegung des
6.   April
und zu den Organisatoren des Aufstandes: »Indem sie das Internet ausgeschaltet haben, haben sie dafür gesorgt, dass heute auch noch der Allerletzte hinter seinem Computer vor und auf die Straße kommen muss. Und wenn es nur darum geht zu sehen, was abgeht.« Ganz offensichtlich stimmt das: Die Menschen strömen aus allen Richtungen zu der großen Moschee am Giza-Platz. Hierher will Mohammed ElBaradei heute zum Freitagsgebet kommen. Dicht gedrängt steht auch die Polizei. Schild an Schild und dahinter lauern Wasserwerfer. ElBaradei kommt, als der Gebetsruf schon erschallt. Schnell stellen sich die Männer in Reihen auf. Dass Demos mit dem Freitagsgebet beginnen, hat die islamische Studentenbewegung in den 70er Jahren eingeführt. Nicht nur aus religiösen, sondern auch aus ganz praktischen Gründen: Solange gebetet wird, schlägt die Polizei nicht zu und auf diese Weise können sich |23| die Aktivisten in Ruhe versammeln. An diesem Freitag geht es schon wenige Minuten nach Gebetsende los. »Salmia, Salmia! – Friedlich, friedlich«, rufen die Demonstranten, doch die Polizei haut gleich zu und jagt die Jugendlichen stundenlang unter der Hochstraße hin und her. Die Tränengasschwaden ziehen bis in die Gassen des angrenzenden Armenviertels.
    In einer dieser Gassen wacht Ragab Mustapha neben einem Haufen Zementsäcke. Lässig sitzt der 5 5-Jährige mit dem gefleckten Turban da. Nur seine Augenbraue zuckt ab und zu und verrät so seine Anspannung. Laute Schüsse ertönen und eine Gruppe Jugendlicher kommt durch die Gasse gestürmt. Sie verschnaufen kurz, spülen die roten Augen und ziehen dann wieder zurück auf die Hauptstraße. Ragab Mustapha schaut ihnen nach: »Da irgendwo sind auch meine Söhne! Ich habe heute Morgen zu ihnen gesagt: Es ist Zeit. Geht! Wir haben keine Wahl: Uns steht das Wasser bis zum Hals.« Er habe geschuftet, um seinen Söhnen eine Ausbildung zu bezahlen. Sogar zur Universität hat er sie geschickt: »Aber Jobs finden sie keine. Ich habe in ihre Ausbildung investiert, damit es uns besser geht. Aber wir wurden betrogen«, sagt er. »Nur die Kinder der Reichen, die haben keine Probleme: Man braucht Beziehungen, um einen Job zu bekommen«, mischt sich ein Nachbar ein. »Dies ist kein armes Land. Es gibt Geld, doch es wird nicht verteilt. Die wenigen Reichen bekommen alles und wir, wir essen den ganzen Tag Brot mit Falafel«, sagt er und zeigt auf den Essensrest in seiner Hand: »Schreib ruhig auf, dass wir Hosni Mubarak hassen und dringend eine neue Regierung brauchen«, sagt er dann noch. Jetzt wird ein Verletzter in die Gasse getragen. Er blutet aus einer Wunde am Kopf. Schnell wird er versorgt. Als Nächstes schlendert ein Grüppchen Herren in ordentlichen Cordhosen und Blazern durch die Gasse: »Wir sind Muslimbrüder!«, stellt der älteste von ihnen die Gruppe vor. |24| Mustapha Ali heißt er. »Auch wir wollen unseren Beitrag leisten. Allerdings beteiligen wir uns hier als Privatpersonen. Als Ägypter, nicht als Mitglieder unserer Organisation«, sagt er.
    Die Führung der
Muslimbrüder
und anderer islamischer Organisationen sind – so heißt es – von den Protesten ebenso überrascht wie die anderen Oppositionsgruppen. Sie können

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