Wir wollen nicht unsere Eltern wählen: Warum Politik heute anders funktioniert (German Edition)
anzupassen. Weil alles andere einfach nicht vorgesehen ist. Aber muss das so sein? Ich denke: Nein.
All jenen, die sich dessen insgeheim bewusst sind, bleibt nur ein Argument gegen die Quote: Die ganze Diskussion sei reichlich elitär, es gehe dabei meistens doch nur darum, den obersten zehn Prozent der Frauen die Karrieremöglichkeiten zu erleichtern, mit Kita-Plätzen, der Frauenquote für Aufsichtsräte und Vorstände und dem ganzen Schnickschnack, der der normalen Frau nicht wirklich etwas bringt.
Die privilegierten Frauen wollten eben «auch mal an die Fleischtöpfe» – was umso unverschämter ist, als es wieder mal unterstellt, dass das Streben nach Macht und Einfluss bei einer Frau automatisch unanständig ist. Ja, wir wollen «an die Fleischtöpfe». Na und? Männer tummeln sich dort seit Jahren, ihnen würde das niemand zum Vorwurf machen. Ganz im Gegenteil, wenn sich ein Mann beim Chef einschleimt, jene Männlichkeitsrituale mitmacht, die immer noch über Up or Out entscheiden, dann gilt er als ambitioniert.
Aber noch aus einem anderen Grund ist dieses Argument blödsinnig, denn niemand verlangt ja, dass die Frauenquote isoliert von anderen Neuerungen eingeführt werden soll. Sie ist stets verbunden mit mehreren Forderungen, zum Beispiel der nach einer besseren Kinderbetreuung oder flexibleren Arbeitszeiten. Und die helfen nicht nur Managerinnen mit Hochschulabschluss.
Schließlich braucht die Verkäuferin, die abends bis 22 Uhr arbeiten muss, damit all die vielen Karrieremänner und -frauen noch nach dem Büro einkaufen gehen können, genauso eine flexible Kinderbetreuung wie die Abteilungsleiterin, die bis 20 Uhr in einem Meeting hockt. Von einer Regelung, die ähnlich wie in Skandinavien Konferenzen nach 17 Uhr verbietet, haben Büroassistentin und Volontärin genauso viel wie die Chefin. Und übrigens auch alle Männer, die sich nicht damit zufrieden geben wollen, ihre Kinder nur schlafend zu sehen.
Von einem veränderten Rollenbild könnten die Männer übrigens genauso profitieren wie die Frauen. Viele von ihnen haben Probleme herauszufinden, wie sie gerne sein wollen. Vor allem der Job verlangt oft noch, dass die Jungs schön mitspielen bei «Wer hat den Längsten?». Die Liebste zu Hause will einerseits keinen totalen Chauvi, sondern einen, der auch kocht, putzt, Wäsche wäscht und einkaufen geht. Andererseits stellen Frauen an Männer schon gewisse Ansprüche, was den Erfolg angeht: Nach wie vor gehen Frauen – anders als Männer – selten Beziehungen zu jemandem ein, der zum Beispiel einen niedrigeren Bildungsabschluss hat. «Echte Gleichberechtigung ist erst erreicht, wenn eine unfähige Frau auf einer Führungsposition sitzt», heißt es oft. Umgekehrt müsste es lauten: «Echte Gleichberechtigung ist erst erreicht, wenn die Ärztin den Krankenpfleger datet anstatt den Chefarzt.»
Eigentlich hört sich das so einfach an. Man sollte denken, dass niemand ernsthaft etwas dagegen haben kann, mehr Zeit mit der Familie zu verbringen – und dass eine Umstellung allen nützt. Aber natürlich ist uns bewusst, dass es hier um Macht geht. Und dass diejenigen, die bisher die Macht innehaben, freiwillig keinen Schritt zur Seite gehen werden, ganz egal, wie sehr sie beteuern, in ihren Unternehmen etwas zu verändern. Aus den Erfahrungen älterer Frauen und Männer wissen wir schließlich, dass sich die Wirtschaft freiwillig nicht bewegt, da sind wir weniger optimistisch als die FDP . Oder Kristina Schröder. Nein, die Politik wird nicht drum rumkommen, sich endlich was zu überlegen. Und da wir so viele Ideen haben, helfen wir auch gerne dabei.
Gewöhnt daran, für alles eine Begründung zu bekommen, lassen sich junge Männer und junge Frauen nicht mehr länger mit einem «Führungskraft in Teilzeit geht nicht» abspeisen, sondern wollen wissen, warum. Sie erinnern ihre Chefs hartnäckig an die vielen Versprechungen der letzten Jahre – Beruf und Familie, aber ja, natürlich geht das. Und sie machen lauter und selbstbewusster darauf aufmerksam, wenn ihrer Meinung nach etwas nicht so läuft, wie es sollte.
Das betrifft nun die Politik in erster Linie inhaltlich. Parteien werden mehr als je zuvor auch daran gemessen werden, inwiefern sie persönliche Lebensentwürfe unterstützen. Oder torpedieren. Es geht dabei nicht um allgemeine Aussagen wie «Wir fördern die Vereinbarkeit von Beruf und Familie», sondern um konkrete Maßnahmen. Aber auch die Art und Weise, wie Politik gemacht wird,
Weitere Kostenlose Bücher