Wir wollen nicht unsere Eltern wählen: Warum Politik heute anders funktioniert (German Edition)
Feministinnen von heute kommen aus einer ganz anderen Umgebung als ihre Mütter. Ihre Eltern haben ihnen ganz selbstverständlich vermittelt, dass Männer und Frauen dieselben Rechte haben, dass auch ein Mädchen eine gute Ausbildung braucht, dass sich auch Frauen im Job «selbst verwirklichen», ihr eigenes Geld verdienen, auf eigenen Beinen stehen sollen. Denn in Zeiten, wo jede dritte Ehe geschieden wird, ist es kaum ratsam, sich bedingungslos auf einen Ehepartner zu verlassen.
Mehr als drei Jahrzehnte nach Gründung der
Emma
ist die Gesellschaft jedoch immer noch nicht bereit für echte Gleichberechtigung, für echte Vielfalt. Es kursieren immer noch alte Vorstellungen von Macht und Verantwortung, von Arbeitsethos und Rollenverteilung. Fakt ist: Nach oben kommt nur derjenige, der die Regeln des Spiels kennt, der die richtigen Netzwerke hat und der sich am besten an die bestehenden Verhältnisse anpasst. Dass die Leistung über Auf- und Abstieg entscheide, ist nichts weiter als ein Mythos. Es gibt nämlich bereits eine Quote: die der weißen Männer aus gutem Hause! Ein bestimmter Kommunikationsstil, kombiniert mit den richtigen Netzwerken und einem Arbeitsethos, das ein Privatleben automatisch hinfällig macht – und fertig ist der neue Chef! Es ist ja auch kein Geheimnis, dass Chefs am liebsten jene fördern und befördern, die sie an sich selbst erinnern, als sie jung waren.
Darunter leiden Frauen genauso wie Männer, die sich einen anderen Umgang miteinander wünschen, die ein Lebenskonzept haben, das von dem ihrer Väter abweicht. Sie werden genauso von den jungen Karrieristen, die einfach die Verhaltensweisen der alten Alphatiere imitieren, verdrängt wie viele Frauen – in der Wirtschaft ebenso wie in der Politik.
Kein Wunder also, dass inzwischen wieder heftig und drängend über eine Frauenquote in der Wirtschaft diskutiert wird – vielleicht zum ersten Mal in der Geschichte mit Aussicht auf Erfolg. Und wir tragen daran einen maßgeblichen Anteil: Viele von uns haben sich vom typischen Bild des patriarchischen Chefs, der sein ganzes Leben der Firma widmet und dafür das Privatleben vernachlässigt, längst verabschiedet – ebenso wie vom Bild eines herumpolternden Patriarchen als Bundeskanzler. Weder wollen wir so einen Chef haben, noch wollen wir selbst so einer werden. Der offenkundige Frauenmangel an der Spitze von Politik und Wirtschaft ist nur eines von vielen sichtbaren Zeichen dafür, dass bisher dort die Alphamännchen dieser Welt bevorzugt wurden. Dass sich alte Machteliten fortpflanzen, sich gegenseitig begünstigen, und vor allem: Leute befördern, die ihnen selbst ähnlich sind.
Mit einer Frauenquote wären Unternehmen gezwungen, diesen Kreis zumindest an einer Stelle zu durchbrechen – auch wenn die Quote allein sicher kein Allheilmittel ist. Denn dadurch kommen nicht mehr unterschiedliche Kulturen in ein Unternehmen, nicht mehr unkonventionelle Denker, nicht mehr Menschen, die nicht schon mit dem goldenen Löffel im Mund, sondern – wie man so schön sagt – in eine «bildungsferne Gesellschaftsschicht» hineingeboren wurden.
Dennoch müssten Unternehmen die typisch deutsche Präsenzkultur ebenso überdenken wie ihre Einstellung zur Familie – denn die Unvereinbarkeit von Job und Kindern geben Frauen in allen Befragungen als einen Hauptgrund für ihre stockende Karriere an. Und nicht nur Frauen, sondern auch viele Männer wünschen sich, dass es möglich ist, für die Familie einmal ein paar Jahre beruflich einen Schritt zurückzutreten. Und danach wieder voll durchzustarten.
Umstritten ist die Frage, ob mit mehr Frauen in Führungspositionen sich automatisch auch die Führungskultur ändert. Frauen, heißt es oft, seien kommunikativer als Männer, sie verfielen weniger in die typischen Hahnenkämpfe, konzentrierten sich in Konferenzen mehr auf die Inhalte als auf Machtkämpfe und Potenzgeprotze. Vieles davon ist mit Sicherheit Wunschdenken. Nicht alle Frauen sind automatisch kommunikativer oder gar netter als Männer. Dennoch sind Frauen anders als Männer, weil sie andere Erfahrungen mitbringen, eine andere Erziehung.
Mädchen wird immer noch, so kann man es überall lesen, beigebracht, «brav» zu sein anstatt wild – in manchen Familien mehr, in manchen weniger. Dieses Bravsein gilt dann auch oft als Hauptursache dafür, dass Frauen sich später nicht gegen Männer durchsetzen können. Dass sie es nicht über sich bringen, ständig auf die eigenen Erfolge hinzuweisen
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