Wir zwei allein - Roman
sich um und watschelt wieder den Berg hinauf. Auf halbem Weg bleibt er stehen und bückt sich zu einem der Gräber, reißt einen Büschel Grünzeug raus und geht weiter. Er stopft das Grünzeug am Eingang zur Kapelle in eine Metalltonne und verschwindet im Innern. Als ich ein paar Schritte durch die Wiese hinabgestiegen bin, setzt das Klopfen wieder ein. Ich steige seitlich und im Zickzack tiefer, muss ständig vor die Füße schauen. Dann habe ich ein Plateau erreicht. Tief unter mir kann ich die Dächer sehen und den Kirchturm. Auf der Straße, von der alten Schmiede kommend, ein Auto, das sich das Tal hinaufquält. Die Scheibe blinkt in der Sonne auf, dann ist das Auto hinter einer Gruppe von Bäumen verschwunden. Ich steige zum Ufer eines Bachs hinab und tauche meine Hände ins Wasser. Ich lege mir eine Hand in den Nacken. Ich könnte Theres eine Handvoll mitbringen. Ich könnte versuchen, es nicht zu verschütten beim Aufstieg. Theres hat bestimmt Durst. Man kann hier das Wasser aus den Bächen trinken. Das ist der Vorteil gegenüber einem Leben in der Stadt.
8 Überall Katzen. Schwarze, weiße, graue, orange, gescheckte. Schon morgens schleichen sie vor der Tür herum, buckeln, miauen, lecken sich die Pfoten. Wenn ich morgens vor die Tür trete, auf dem Weg zum Sprinter, dann sitzen sie allesamt da und schauen mich an, als erwarteten sie, dass ich gleich eine weltbewegende Tat vollbringe. Man muss die Tür immer geschlossen halten, sage ich zu Theres, sie stellt ihnen jeden Morgen eine Schüssel aufs Treppchen. Mit Resten vom Mittag- oder Abendessen. Zucchini, Kartoffeln, Pfannkuchen, Obst. Als würden die das fressen. Gestern kam eine ganz junge, nur halb so groß wie die anderen und viel dünner, zerbrechlich fast, und mit zerfleddertem grauen Fell. Milka!, rief Theres und hielt ihr die Hand hin. Milka?, fragte ich. Warum Milka? Warum nicht?, fragte sie.
9 Es ist ein Morgen, der hat sein Räuberdasein im sanften Lächeln versteckt. Der Wald rauscht, das Meer schäumt kaum. Die Kinder spielen an der Mülltonne. Der Sprinter ist ein weißglänzender Panzer, ein weißglänzendes Ross, auf dem ich meine Anritte gegen Kandel, Rosskopf und Schauinsland mache. Ich breche eine Lanze für die Gastfreundschaft der Bauern im Wiesental. Der Morgen spricht Esperanto, er kringelt sich vor Lachen in seinem Bett. Die Federn, die wir nach einem Kampf zwischen Taube und Habicht aufsammelten, machen schon bald einen neuen Vogel aus, wir kleistern uns in unserem Keller neue Arten zusammen. Was weiß ich schon vom Leben. Ich bin Spezialist für Steine. Im Bergwerk Finstergrund brennt eine Kohlelampe am tiefsten Punkt, unweit des Sees der Tränen. Dort lebt ein kleiner Mann, man sieht ihn kaum. Aber seine Stimme. Wenn er dort unten anfängt zu drohen. Das geht durch den ganzen Berg und bald ist es der Berg, den man zu verstehen meint. Die Wände, die feuchten salzigen Kristallwände, sie donnern und salpetern. Eine gregorianische Kirche ist das, wenn der kleine Mann mit seiner Litanei beginnt. Jemand hat jemanden sagen hören, der kleine Mann sei einsam und deshalb traurig und deshalb voller Hass. Aber uns in unserem Sprinter, uns Ritter des Lichts, muss das nicht kümmern. Wir werden uns nie so tief unter die Erde verirren. Wir kennen die hell beleuchteten Pfade und die etwas schattigeren, das reicht.
10 Wacholdersträucher habe ich noch nie gesehen. Die Felsbrocken im Bach schauen aus wie aus Pappe. Die Pappeln zieren die Waldränder, es sind Buchen und keine Pappeln, Millionen von Bucheckern auf dem Feldweg. Theres, wir könnten heute Abend gemeinsam ein Zelt im Garten aufstellen, was meinst du? Und warum bist du in letzter Zeit so still? Warum weichst du mir aus? Ich gehe mit dir in das Tal der Helden. Die Arbeit, die ich tue, besteht im einfachsten Fall im Sich-Verdrechseln. Eine Szene ist etwas, das vergeht. Zeit als Element des Dramas. Wir lesen gemeinsam die Poetik des Aristoteles. Du könntest deine Bücher in diese Ecke stellen, hat Theres zu Beginn gesagt. Wir brauchen es bunt und abwechslungsreich. Sie hat im Schlafzimmer Bilder aus Zeitschriften aufgehängt. Ein Tennissportler, der für eine Armbanduhr wirbt, eine alte Frau mit dem Ohr an einem Radio, ein Mädchen vor einer Nähmaschine. Und heute:
Wir können immer noch beieinander übernachten, wenn wir wollen, sagt sie. Aber ein eigenes Zimmer ist wichtig. Sabine, eine Freundin von Stefano, hatte einen Ehemann. Sobald sie eine gemeinsame
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