Wir zwei allein - Roman
Insekten, meine Waden jucken. Direkt hinter dem Zaun fällt der Berg ab, und im Tal brennen die ersten Lichter. Ich strecke meinen Arm aus und lege meine Hand auf Theres’ Bauch. Sie steht auf und geht zur Hauswand rüber, sie trägt ein hellgelbes Kleid, sie ist barfuß und weicht den Birnen im Gras aus. Der Hahn quietscht, sie springt einen Schritt zurück, taucht ihre Hände in den Wasserstrahl, steht dabei mit dem Oberkörper weit nach vorn gebeugt, fährt sich mit den Handflächen über die Stirn und über den Nacken.
Vielleicht brauchen sie jemanden, der Eintrittskarten beim Rummelplatz an der Messe verkauft, sage ich.
Ich habe keine Zeit, sagt sie. Ich denke darüber nach, eine Maschine zu bauen, die unterschiedliche Lichtfarben an die Decke werfen kann, je nachdem, wie das Wetter draußen ist. Es wäre doch gut, ein schönes warmes Licht zu haben, wenn es anfängt zu regnen, oder?
Du musst doch wieder anfangen zu arbeiten, sage ich.
Ich fühle mich eigentlich gut so, sagt Theres.
Sie tänzelt zurück zum Baum und lehnt sich mit dem Rücken gegen den Stamm.
Jetzt wohnen wir hier zusammen, Theres. Das will ich sagen. Ich will sagen: Setz dich neben mich und nimm meine Hand. Lass uns über unser Wiesental blicken. Wir könnten schweigen und dem Mond zuschauen, wie er hinter dem Berg dort drüben aufgeht, oder den Satelliten, die bald sichtbar werden und als rote Punkte um die Erde kreisen. Und später führen wir ein richtiges Gespräch. Ich werde dich fragen, wie du dich fühlst. Und du wirst mir erzählen, was in dir vorgeht. Was dich in den letzten Tagen und Wochen beschäftigt hat.
Morgen früh werde ich gleich nach Schönau fahren, sagt Theres. Sie schlendert rüber zum Zaun, lehnt sich mit dem Oberkörper weit in die Weide hinein, reißt einen Grashalm aus. Ich will mir dort diese Alt-Linken anschauen, sagt sie. Sie haben ein Elektrizitätswerk übernommen und bieten jetzt Ökostrom an. Bestimmt tragen sie lange Bärte und schwarze Hüte. Ein bisschen wie Mormonen. Und jeder schläft mit jeder.
Sie ziept mit Daumen und Zeigefinger an dem Grashalm entlang. Hähnchen, sagt sie und pustet den Inhalt ihrer Handfläche über den Zaun.
Ich stehe auf und durchquere den Garten, umarme sie von hinten. Sie hat sich aufgerichtet. Ich küsse sie auf den Nacken. Wir stehen einen Moment so da. Aus dem Tal ist ein Traktor zu hören.
Es ist sehr schön hier, Theres.
Finde ich auch, sagt sie.
Sie dreht sich aus meiner Umarmung raus und steht schon wieder am Baumstamm, lehnt sich mit dem Rücken dagegen. Ich könnte gleich anfangen, die Werkstatt einzurichten, sagt sie. Es gibt ziemlich viel zu tun.
Es ist Abend, sage ich.
Du hast recht, sagt sie. Ich kann eine Lampe reinstellen.
Wir wollten doch draußen sitzen, sage ich.
Ich kann ja später wieder dazukommen, sagt Theres. Sie stößt sich vom Baum ab, knickt dabei um, humpelt dann ein paar Schritte. Vielleicht kann ich morgen auch Finstergrund besichtigen, sagt sie. Das liegt doch auf dem Weg nach Schönau. Warst du mal in einem Bergwerk? Glaubst du wirklich, dass es hier mal Silber gegeben hat?
Als später die rosa Farbe des Himmels verschwunden ist und das Tal in Dunkelheit liegt, sitze ich allein in unserem gemeinsamen Garten. Aus dem Schuppen in meinem Rücken ein gelegentliches Quietschen und Schaben. Leise Musik, die ab und zu von der Stimme einer Moderatorin unterbrochen wird. Ich drücke die Zigarette zwischen den anderen Stummeln im Aschenbecher aus, öffne ein Riegeler Landbier. Die Flasche ist klebrig, das Etikett ist im Eimer neben dem Tischbein zurückgeblieben und schwimmt auf der Wasseroberfläche mit den drei anderen. Ich drehe mir eine neue Zigarette und zünde sie an. Aus dem Tal ist nur einmal Glockenläuten zu hören, dann wieder dieses leise Rauschen hinter der Stille. Der Himmel ist voller Sterne. Einer der Sterne ist in Bewegung. Kurz, bevor er hinter dem Belchen verschwindet, blinkt er rot auf.
Später gehe ich zum Schuppen rüber, öffne die Tür. Theres bückt sich gerade zu einem Stapel aus Schindeln neben einem Metallregal.
Man könnte diese Mittelwand hier einreißen, sagt sie. Dann könnte ich eine lange Arbeitsplatte in die Raummitte stellen, an der ich von allen Seiten arbeiten kann, was hältst du davon?
Theres, sage ich, lass uns doch runtergehen zum Hirschen und etwas trinken.
Es ist viel zu spät, sagt sie.
Morgen ist Sonntag, sage ich.
Eigentlich muss ich noch etwas arbeiten.
Es ist hier sehr schön,
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